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Lass sie bluten

Lass sie bluten

Titel: Lass sie bluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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Personalagenturen mit fleißigen Jungs aus Lateinamerika, die für vier Euro die Stunde Schnee von den Dächern schippten.
    »Du weißt ja, bald kommt der Winter. Und jeder Vermieter hier in der Stadt hat ’ne Höllenangst, dass Schnee und Eis auf irgendwen herunterfallen. Deshalb drücken sie irre Summen fürs Schneeschippen ab. Wir gründen also Firmen für die Arbeiter, und dann beauftragen wir sie mit unserer Firma, in der wir alle Gerätschaften haben. Die Firma der Arbeiter bezahlt den Jungs jeden Euro schwarz. Und wenn das Finanzamt meckert, kann unsere Firma nicht belangt werden.«
    Jorge sagte: »Klingt cool. Dann hast du ja ’ne Menge Spaten und Geräte, nehm ich an, oder?«
     
    Es war dunkel draußen, als Jorge den Pick-up parkte. Er hatte ihn sich von Peppe geliehen. Hinten lagen die Profigerätschaften. Große Spaten, eine Brechstange, Ketten, Spannriemen, Handschuhe und ein Blaumann.
    Er konnte auch einige Tage im Wagen schlafen. Peppe brauchte ihn nicht unbedingt.
    Vielleicht würde sich doch alles irgendwie regeln.
    Vorsicht war im Moment sein wichtigstes
mandamiento
. Er war tagsüber wie ’n Obdachloser herumgezogen. Hatte bei Paola, seiner Mutter, Mahmuds Schwester und sogar beim Schweden-Rolando gewohnt. Ließ das Autokennzeichen jedes Wagens überprüfen, der ihm irgendwie auffällig vorkam – schickte eine SMS ans Straßenverkehrsamt. Bürgerservice: Sie antworteten innerhalb von drei Minuten ebenfalls per SMS . Registrierten den Halter des Fahrzeugs. Man konnte sofort erkennen, ob es die Polizei war, die zu Fahndungszwecken in ’ner Zivilkarre unterwegs war. Er wich der Gegend um seine Wohnung herum aus, tagsüber noch mehr als nachts. Er gab keinem seine Prepaidkartennummer. Kaufte sich eine Sonnenbrille und gewöhnte sich einen hiphopartigen Gangstil an. Legte sich ’nen gewissen Flow zu. Schwang mit den Armen. Das rechte Bein ließ er vor dem Aufsetzen einen kleinen Umweg machen.
Nigga with attitude
. Er hatte das Gefühl, sich bereits sein ganzes Leben lang so bewegt zu haben. Und hoffte, dass er damit gewisse Ähnlichkeiten zu seiner Person vermeiden konnte.
    All das erinnerte ihn an die Zeit, als er auf der Flucht vom Knast war, obwohl er damals seinen Stil noch vervollkommnet hatte, indem er sich zusätzlich mit Bräunungscreme einrieb. »Der Ausreißer«. Babak konnte seinetwegen seine Mutter ficken. Jetzt war er derjenige, der im Knast saß.
    Er stieg aus dem Wagen. Im Wald von Sätra. Fichten, Kiefern und Laubbäume. Der Kies unter seinen Schuhen knirschte. Er öffnete die hinteren Türen. Der Wasserturm, der hundert Meter entfernt stand, wirkte wie ein überdimensionaler magic mushroom. Er griff sich die Ketten und die Spannriemen. Ging ungefähr vier Meter in den Wald hinein. Er schaltete die Stirnlampe an. Versuchte sich zu orientieren.
    Er ließ den Lichtstrahl über das Laub gleiten. Über das Moos. Das welke Gras.
    Die Luft war kalt. Ungefähr fünf Grad. Er fröstelte.
    Fichtenzweige hingen herab und verdeckten die Sicht. Er ging vor und zurück. Kickte Tannenzapfen und Grasbüschel zur Seite.
    Er suchte nach der Stelle. Dem Platz, wo die Knete versteckt lag, die sie den anderen Jungs und dem Finnen nie gezeigt hatten.
    Er ging zurück zur Straße. Schaute von dort in den Wald hinein. Links, rechts. Rechts, links. Der Lichtkegel wirkte wie ein winziger Punkt in der dunklen Tannenmasse.
    Dann sah er sie. Drei Feldsteine in einer Reihe. Fünf Zentimeter zwischen jedem Stein. Er erinnerte sich noch daran, wie sie geschuftet hatten, um sie an Ort und Stelle zu bugsieren. Bestimmt hundertfünfzig Kilo pro Stein.
    Er ging auf sie zu. Wusste, dass es keine gute Idee war, den
World’s Strongest Man
zu spielen. Er beugte sich hinunter. Wickelte den Spannriemen zweimal um den größten Stein, der in der Mitte lag. Befestigte die Kette am Spannriemen. Zog die Kette zum Wagen hin, vier Meter entfernt. Befestigte sie an der Anhängerkupplung.
    Startete den Motor. Fuhr laaangsam los.
    Es war zu dunkel, um im Rückspiegel etwas zu sehen.
    Er öffnete die Wagentür, beugte sich hinaus, leuchtete mit der Stirnlampe. Folgte dem Verlauf der Kette in der Dunkelheit. Der Stein hatte sich bewegt. Das reichte aus.
    Er sprang heraus. Holte die Brechstange und den Spaten. Zog die Arbeitshandschuhe an.
    Der Stein war einen halben Meter weit gezogen worden. Im Gras und auf der Erde, wo er gelegen hatte, war ein platter Abdruck zu erkennen. Er stieß den Spaten in die Erde.
    Er dachte nicht

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