Lass sie bluten
nicht derjenige, der jemanden vernahm, sondern heute war er derjenige, der vernommen wurde. Pravat hätte gesagt, sie spielen das Verkehrtherumspiel. Heute würde Hägerström also mit Kriminalinspektorin Jenny Flemström und Kriminalinspektor Håkan Nilsson das Verkehrtherumspiel spielen.
Es dürfte sich eigentlich lediglich um eine routinemäßige Vernehmung handeln, nach der sie ihn wieder gehen ließen. Sie durften ihn nicht länger als sechs Stunden festhalten, es sei denn, der Staatsanwalt fasste einen Beschluss. Und er konnte schließlich nicht für irgendetwas verdächtigt werden. Er hatte im Taxicafé schließlich nur einen Kaffee mit Jorge und Javier getrunken. Sich lediglich zur falschen Zeit am falschen Ort aufgehalten.
Dennoch war er enttäuscht. Nicht von sich selbst, denn es war nicht seine Schuld, dass der Zugriff in einen absoluten Tumult ausgeartet war. Das Einsatzkommando hatte unprofessionell agiert. Sie hätten im Café einen Zivilfahnder platzieren müssen, und sie hätten draußen Wagen stehen haben müssen, die die Straße abriegelten. Sie hätten zuerst Jorge in Handschellen legen und nicht versuchen sollen, ihn erst
nach
Hägerström in Handschellen zu legen.
Er fragte sich, ob es Jorge gelungen war, ihnen zu entwischen.
Er fragte sich, wie es Javier ging.
Kriminalinspektorin Flemström erklärte ihm die Formalitäten. »Also Martin, wir werden jetzt eine Vernehmung mit Ihnen durchführen. Sie sind ja ehemaliger Polizist und kennen das Prozedere. Ich werde gleich den Kassettenrekorder einschalten. Möchten Sie etwas zu trinken haben, bevor wir beginnen? Kaffee, Wasser?«
Hägerström musste innerlich lächeln. Sie versuchten ihm etwas anzubieten, damit er sich entspannte. Er schüttelte den Kopf und lehnte ab.
Jenny Flemström schaltete das Diktaphon ein.
»Dies ist die Vernehmung von Martin Hägerström, anwesend sind Kriminalinspektorin Jenny Flemström und Kriminalinspektor Håkan Nilsson. Heute ist der 8. Oktober, und es ist drei Uhr nachts. Wir zeichnen die Vernehmung auf.«
Hägerström betrachtete Flemström. Sie hielt einen Kugelschreiber in der Hand, dessen Spitze sie rein- und wieder rausklickte.
»Erzählen Sie uns, was Sie gestern Abend im Café Koppen gemacht haben.«
»Ich war lediglich dort, um mit einem Bekannten einen Kaffee zu trinken; er heißt Javier.«
»Woher kennen Sie ihn?«
»Wir haben uns vor ein paar Wochen in Thailand kennengelernt, ich kenne ihn also noch nicht lange.«
»Sind Sie gute Freunde?«
»Nein, wir kennen uns ja erst seit kurzem.«
»Wie lange waren Sie in Thailand?«
»Gut drei Wochen.«
»Was haben Sie dort gemacht?«
»Urlaub. Ich habe früher einmal in Bangkok gearbeitet und kenne ein paar Leute dort.«
»Wie haben Sie Javier kennengelernt?«
»Wir haben in Phuket zufällig im selben Hotel gewohnt.«
»Haben Sie viel zusammen unternommen?«
»Ja, wir haben uns zum Ende hin nahezu jeden Tag gesehen, aber das waren nur ein paar Tage.«
»Wie heißt Javier mit Nachnamen?«
»Keine Ahnung.«
»Wie kommt es, dass Sie seinen Nachnamen nicht wissen; finden Sie das nicht ein wenig merkwürdig?«
»Keinesfalls, denn wir kannten uns nicht näher. Wir sind nur gemeinsam in Bars gegangen und haben Bier getrunken.«
Flemström fuhr fort, Fragen zu stellen. Sie machte sich Notizen. Nilsson machte sich im Hintergrund ebenfalls Notizen. Wenn das hier vorbei wäre, würde Hägerström Kriminalinspektorin Flemström anrufen und ihr im Hinblick auf Vernehmungstechnik das eine oder andere beibringen. Sie war zu schnell, wollte die Vernehmung zu stark beschleunigen. Es gelang ihr nicht, ein Muster zu etablieren.
Vielleicht sollte er ihr einfach sagen, wie es war, nämlich dass er UC -Operateur in einer wichtigen Operation sei. Doch das könnte ein Risiko für die gesamte Operation bedeuten. Sie befanden sich im Moment in einer heiklen Lage. Er musste ganz einfach mitspielen. Aber er hatte nichts zu befürchten: Er war lediglich ein gewöhnlicher Polizist in einer ungewöhnlichen Situation.
Flemström kam auf andere Themen zu sprechen.
»Erzählen Sie mir etwas über Ihren beruflichen Hintergrund.«
»Was wollen Sie wissen?«
»Als was arbeiten Sie?«
»Ich bin arbeitssuchend. Zuvor war ich im Strafvollzug in der Anstalt von Salberga tätig. Und was ich davor getan habe, wissen Sie ja. Mir wurde im vergangenen Frühjahr von der Polizeibehörde gekündigt. Ich wohne in Stockholm und habe einen Sohn, der bei seiner Mutter auf Lidingö
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