Lass sie bluten
Mutter spielen, konnte dem Latinofreund nicht den Arsch abwischen.
Dann musste er an das letzte Gespräch mit Mahmud denken.
»Ich komme übermorgen zurück.«
»Okay, gut. Und die Knete?«
»Klargemacht. JW kümmert sich drum.«
»Great.«
»Willst du, dass ich dir irgendetwas von hier mitbringe, was zu essen oder ’nen Penis?«
»’nen Penis hab ich bereits, ist schon okay. Aber kannst du nicht diese salzigen Fische von Malaco kaufen?«
Jorge musste innerlich lächeln.
Jetzt waren es noch fünfzig Minuten, bis der Flieger abheben würde. Er sehnte sich nach Mahmud.
In seiner Jackentasche vibrierte es. Irgendwer rief an. Es war Paolas Nummer.
Ihre Stimme klang gestresst. Sie flüsterte nahezu.
»Jorge.«
»Ja, was ist denn?«
»Sie sind hier.«
»Wer denn?«
»Sie hämmern gegen die Wohnungstür. Sie sagen, dass sie sie einschlagen werden, wenn du nicht herkommst und bezahlst.«
»Wer sagt das?«
Jorge hörte seine eigene Stimme: Sie war schwach. Spürte seinen Kopf: Er wurde heiß.
Paola sagte: »Sie kommen von jemandem, der sich Der Finne nennt. Sie behaupten, dass du sie reingelegt hast. Ich hab gesagt, dass du nicht in Schweden bist, aber sie glauben mir nicht.«
In Jorges Kopf: üble Bilder. Paolas ängstliche Augen. Jorgito mit blauen Flecken im Gesicht. Was zum Teufel sollte er tun?
Im Hintergrund hörte er Schreie. Er hörte Paola rufen. »Haut ab. Jorge ist nicht hier.«
Er hörte das Hämmern gegen die Tür.
»Jorge, was soll ich tun?«
»Ist Jorgito auch da?«
»Ja, ich hab ihn in seinem Zimmer eingeschlossen. Was soll ich ihnen nur sagen?«
Jorge warf einen Blick auf den Bildschirm. Noch vierzig Minuten bis zum Abflug. Vierzig Minuten, bis er seine Ruhe hatte.
Er hielt seinen Pass und die Bordkarte in der einen Hand. Das Handy in der anderen. Gebrüll im Hintergrund. Schläge gegen die Tür. Er konnte nicht mal verstehen, was Paola ihm zu sagen versuchte.
Mahmuds Spruch im Kopf: Hauptsache, man stirbt heftig – wie heftig würde es sein, seine eigene Schwester im Stich zu lassen?
Jorge schrie ins Handy: »Öffne auf keinen Fall die Tür. Ich komme.«
Das Taxi fuhr hundertvierzig. Jorge hatte dem Fahrer ’nen Fünfhunderter extra zugesteckt. Er versprach, so schnell wie irgend möglich zu fahren.
Es würde mindestens fünfunddreißig Minuten bis nach Hägersten dauern. Jorge versuchte sich Paolas Wohnungstür vor Augen zu halten. Wie stabil war sie? Was würde sie aushalten? Müssten die Nachbarn nicht in irgendeiner Form reagieren, wenn jemand versuchen würde, sie aufzubrechen? Sollte er die Polizei rufen?
Der letzte Gedanke erschien ihm unwirklich: Er hatte in seinem ganzen Leben noch nie die Polizei gerufen.
Er rief Paola zurück. Sie meldete sich: Der Lärm im Hintergrund war schlimmer geworden. Sie heulte laut los.
Er brüllte: »Paola, du musst die Polizei rufen. Du MUSST . Ich leg jetzt auf, ruf mich an, wenn du mit der Polizei gesprochen hast.«
Sie legten auf.
Jorge wartete.
Auf der Autobahn herrschte nicht besonders viel Verkehr. Er starrte auf das Display seines Handys.
Gab es irgendwen, den er anrufen und schneller zu ihr hinschicken konnte? Verdammt, alle, die er kannte und die ihm einen Gefallen tun würden, waren im Ausland, im Knast oder superanständig geworden. Außer diesem Hägerströmtypen und JW – aber nein, sie besaßen nicht das richtige Kaliber.
Das Display war dunkel. Warum rief sie nicht zurück?
Jorge gab die zuletzt gewählte Nummer ein.
Es klingelte lange.
Ihr Anrufbeantworter schaltete sich an.
Er versuchte es erneut. Ließ es einmal, zweimal, dreimal klingeln.
Jetzt meldetet sie sich. Kein Lärm im Hintergrund. Paola weinte. »Sie sind jetzt hier drinnen, verstehst du? Ich hab mich mit Jorgito in seinem Zimmer eingeschlossen.«
»Ich bin unterwegs. Hast du die Polizei gerufen?«
Das Gespräch wurde unterbrochen.
Jorge versuchte sie erneut anzurufen.
Lediglich: »Hier ist der Anrufbeantworter von Paola, du weißt ja, was du nach dem Piepton zu tun hast.«
Er hielt das Handy fest umschlossen.
Dann tat er etwas, das er nie gedacht hätte, jemals zu tun.
Jorge rief die Bullen an.
Zwanzig Minuten bis zu Paolas Haustür.
Der Taxifahrer hatte mehr als drei rote Ampeln passiert. Die schlimmsten Minuten seines Lebens.
Unten auf der Straße sah er einen Polizeiwagen stehen.
Er rannte die Treppen hinauf.
Die Einbruchsspuren am Türrahmen waren deutlich zu sehen. Die Wohnungstür war angelehnt.
Aus der Wohnung
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