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Lass sie bluten

Lass sie bluten

Titel: Lass sie bluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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Achtzigerjahre, einfarbig. Oder die von Stefanovic, die sie einmal gesehen hatte, als sie klein war, und er in einem Badehaus mit bloßem Oberkörper auf sie aufpasste. Sie würde die Tätowierung nie vergessen, die den Bereich seiner Brust unmittelbar über dem Herzen bedeckte: ein Kruzifix mit einer Schlange, die sich darum wand. Sie mochte Viktor. Aber war er wirklich der Richtige für sie?
    In der einen Ecke ihres Zimmers stand ein Lesesessel mit Samtbezug, der ihrer Großmutter väterlicherseits in Belgrad gehört hatte. Papa hatte ihn hochtransportieren lassen, als Natalie geboren wurde. An der Decke hing eine Lampe mit weißem Schirm und Tüll drum herum. An der einen Wand stand ein Bücherregal mit ein paar Schmökern: Läckberg-Krimis, Taschenbücher von Marian Keyes, Romane von Zadie Smith und zwei Bücher von diesem Schriftsteller, der Strafverteidiger ist. Im Regal standen außerdem gerahmte Fotos von ihren Sprachreisen nach Frankreich und England: Lollos strahlendes Lächeln, ihr wasserstoffblondgefärbtes Haar und ihre unnatürlichen Titten. Toves sonnengebräunte Arme, während sie eine Flasche Moët & Chandon hochhielt. Mehrere Bilder von Natalie selbst an unterschiedlichen Orten in Paris: in der Bar von La Société, auf der Tanzfläche von Batofar. Zwei Fotos von Richie, Natalies Chihuahua, der vor drei Jahren gestorben war.
    Sie hatte einige Paare ihrer Lieblingsschuhe aus ihrem Walk-In-Closet geholt und sie ganz unten ins Regal gestellt – es sah fast wie eine Installation aus. Jimmy Choos schwarze Pumps, die vollständig aus Lederflechtwerk bestanden, ein Paar rote Lack-Gucci, ein Paar crazy Blahnik mit Federn oben am Knöchelriemchen. Schuhe für Tausende von Euros. Papas Geld hatte schon etwas für sich.
    Sie liebte ihr Zimmer. Dennoch: Sie spürte es deutlich – es würde bald an der Zeit sein, von zu Hause auszuziehen.
     
    Sie machten das Licht aus. Es war nahezu rabenschwarz. Viktor fingerte an seiner Uhr herum. Hielt sie vor ihre Gesichter. Sie leuchtete in der Dunkelheit.
    »Ich hab mir ’ne neue gekauft. Wie findest du sie?«
    Natalie blinzelte. »Ich kann gerade nicht so viel sehen.«
    »Aber man sieht, wie stark sie von selber leuchtet, schau dir nur die Zwölf und die Sechs an. Die sieht man am besten. Es ist eine Panerai Luminor Regatta. Richtig schick, wenn du mich fragst. Fast zwei Zentimeter dick; die italienische Luftwaffe trug sie damals.«
    Er legte den Arm um sie.
    Sie sagte: »Ich glaub, dass ich nach dem Sommer fürs Jurastudium zugelassen werde.«
    »Cool. Und was machst du bis dahin?«
    »Wir haben ja schon bald Sommer, und da werde ich es ruhig angehen lassen. Du weißt ja, wie es im Augenblick aussieht.«
    »Ja, ich weiß. Aber gefällt dir meine neue Uhr?«
    Natalie überlegte. Sie fragte sich, wie er es sich leisten konnte, diese Uhr zu kaufen. Aber wahrscheinlich würde er bald zu Geld kommen, das hatte er jedenfalls selber gesagt. Viktor wirkte in der letzten Zeit etwas abwesend, hatte sich nur um sich und seinen Job gekümmert. Redete davon, dass er kurz davor stand, ein Riesengeschäft zu machen, das Unsummen von Kohle abwerfen würde.
    Vielleicht war es nicht nur an der Zeit, von zu Hause auszuziehen. Vielleicht sollte sie sich auch von diesem Typen trennen.
     
    Natalie stellte fest, dass sie wach war. Sie drehte sich auf die Seite. Das Kissen war kühl. Sie kniff die Zehen zusammen. Streckte den Arm aus. Tastete nach Viktor.
    Sie konnte ihn nicht erreichen. Kein Viktor. Sie schlug die Augen auf.
    Er lag nicht mehr im Bett.
    Natalie hob den Kopf, er war nicht im Zimmer.
    Die Uhr auf ihrem Handy: Viertel vor neun. Sie fragte sich, wo er wohl hingegangen war.
    Sie stellte ihre Füße auf den Teppich. Ein grüner, grasfarbener handgewebter Teppich bedeckte den Boden. Er wirkte wie eine Rasenfläche im Zimmer, vermittelte das gesamte Jahr lang ein Gefühl von Sommer.
    Natalie schlüpfte in ihren weißen Seidenmorgenmantel, den sie von Mama geschenkt bekommen hatte, als sie nach Paris fuhr. Band den Gürtel auf Taillenhöhe.
    Ging zuerst am Gästezimmer vorbei. Doch Patrik war nicht da. Dann durch den Flur. Dort saß er, Patrik. Wartete, hielt Wache, beschützte sie. Sie ging am Fernsehzimmer vorbei. Warf einen Blick hinunter auf die Treppe zum Party- beziehungsweise Sicherheitsraum. Goran stand an einem Fenster und schaute hinaus.
    Sie ging in Richtung Küche. Wollte mit Mama reden. Eine Tasse Tee trinken. Erfahren, wo Viktor geblieben war.
    Sie öffnete die

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