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Lass sie bluten

Lass sie bluten

Titel: Lass sie bluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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Fest gebündelte Dollarscheine in Diplomatenkoffern. Nein, es war nur ’n
fugazy
.
    Eigentlich: Planung bedeutete intensive Recherche. Aber vor allem: intensive Kopfschmerzen. Jorge hätte es ohne den Finnen nie geschafft, und trotz alledem würde es tough werden. Aber dennoch: Im Grunde lag die Verantwortung bei ihm – er hatte die Last dieses kniffligen Auftrags zu schultern. Wie zum Teufel sollte er das nur packen? Die Antwort war klar. Buchstabierte sich folgendermaßen: P-l-a-n-u-n-g.
     
    Und last, but not least, das wichtigste Gesetz. Die Regel, die man nie vergessen durfte. Die dritte Säule des Finnen. Ein ums andere Mal wiederholt.
    Hundertprozentige Mitspieler.
    Der Finne fragte wieder und wieder: »Kann man sich auf deine Kumpels verlassen?«
    J-Boy kapierte.
    Ein einziger kleiner Schwätzer – und alles konnte den Bach runtergehen. Wenn irgendein Idiot dem Druck nicht standhielt und dem Versprechen der Bullen nachgab, das Strafmaß zu senken, Personenschutz zu erhalten, eine neue Identität zu bekommen, Geld, ein Haus irgendwo auf dem Land, Strafminderung. Aalglatte Vernehmungsleiter spielten ein gewieftes Spiel. Bullenschweine boten einem in Untersuchungshaft Pizza an, um über Nacht einen Überwachungsfilm einzuschleusen. Das Geplapper einer einzigen Ratte. Das feige Geständnis eines einzigen Mädels. Es konnte ausreichen für eine Anklage. Und noch schlimmer: Es konnte ausreichen für eine Verurteilung.
    Aus diesem Grund musste man sichergehen, dass man sich mit Kumpels umgab, die absolut dichthielten. Nicht nur solchen, die einen im Normalfall nicht verpfiffen – das tat ja keiner. Aber sie mussten mehr als dem normalen Druck standhalten. Hatte irgendjemand von ihnen irgendwann schon mal mit einer Behörde zusammengearbeitet? Hatte jemand von ihnen schon einmal monatelang mit allen denkbaren Restriktionen in Haft gesessen? Nur maximal eine Stunde am Tag draußen in einem der fünf Quadratmeter großen Pausenhofkäfige – die einzige Möglichkeit am Tag zu rauchen. Kein Kontakt zu anderen Häftlingen, kein Fernsehen. Keine Telefongespräche nach draußen oder Briefe an die Außenwelt, weder an Freunde noch an Mama. Vollkommen auf sich gestellt. Allein.
    Wie hatten sie das verkraftet? Hatten sie geredet? Wie waren sie mit den Bullen klargekommen?
    Er musste an die Formulare denken, die Red & White Crew und andere Gangs von ihren Prospects ausfüllen ließen – wie ’ne verdammte Bewerbung am Komvux. Vielleicht sollte Jorge es ähnlich machen.
    Aber Mahmud, Javier und Sergio kannte er in- und auswendig. Auf Tom war hundert Prozent Verlass. Mahmud trat für Robert ein. Tom trat für Jimmy und Viktor ein.
    Sie waren zuverlässiger als die Gangs mit ihren Westen und erfundenen Reglements – die ja geradezu absichtlich die Blicke der Bullen auf sich zogen. Die schwersten Jungs hingegen gaben sich nie mit solchem Scheiß ab: sie drehten ’n Ding, ohne gesehen zu werden.
    Dennoch: die dritte Säule – ging man dort Kompromisse ein, war man selber schuld, wenn man verknackt wurde.
    Er dachte zurück an die Erfolge der vergangenen Wochen.
    Er hatte wie ’n Freak auf Google Earth und Hitta.se gesurft. Die Satellitenbilder von Tomteboda: die reinsten
Enemy of the State
-Bilder. Man konnte alles erkennen: Autos, Zäune, die Kontrollpunkte an den Einfahrten, die Bahngleise, die Verladerampen. Man konnte die Bilder sogar in 3D abwinkeln. Sie vor- und zurückbewegen wie in ’nem Computerspiel. Jesus – das war der absolute Hammer. Er probierte Grundrisse von den Verladegebäuden anzufordern – keine Chance. Offenbar geheim. Er fragte sich, warum Wikileaks ihre Dokumente lediglich an Terroristen, aber niemals an Räuber herausgaben.
    Der Finne trieb stattdessen handgefertigte Pläne auf. Jorge inspizierte sie, als wäre er gerade in einen Kurs für die Architektur von Sicherheitsgebäuden aufgenommen worden. Der Finne zeichnete rote Linien ein: Auf diesem Weg werdet ihr hineingelangen, sagt mein Insider. Jorge zeichnete blaue Linien ein: Auf diesem Weg werden wir wieder rauskommen.
    Er ließ beim Media Markt ’ne digitale Filmkamera mitgehen. Ein kleines Ding von Sony, dreihundert Gramm. Er und Mahmud ließen sich von ’nem alten Säufer ’nen Leihwagen mieten und fuhren raus nach Tomteboda. Drehten den halben Vormittag lang ihre Runden. Wie ’n verrückter Spionageauftrag. Prägten sich den Straßenverlauf ein. Verschafften sich einen Überblick über die Wegweiser, Kreisverkehre, Anzahl

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