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Lass sie bluten

Lass sie bluten

Titel: Lass sie bluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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einen achtundvierzigjährigen Obdachlosen registriert. Babak: ’n nerviger Typ, aber noch lange nicht dumm.
     
    Auf dem Weg zum Lager. Sie hatten vor, sich der Walther zu entledigen. Ein weiteres Gesetz des Finnen: niemals Waffen zu Hause deponieren.
    Schwerer, als man meinen könnte. Jorge und Mahmud liebten es, mit ihren Waffen anzugeben. Sie auf Partys herumzuzeigen. Sie wie selbstverständlich im Hosenbund stecken zu haben. Mit ihnen für die Kumpels zu posieren, Fotos davon zu machen und sie per SMS zu verschicken. Draußen im Wald wie echte G-Boys mit den Dingern Probe zu schießen.
    Doch das war jetzt nicht mehr angesagt. Jedes einzelne Teil musste ins Lager.
    Jorge wandte sich Mahmud zu. Der Araber trug heute einen Bauchgurt. Was hatte der Kumpel denn darin? J-Boy überlegte, ihn zu fragen, ob er Schminke dabeihatte, ließ es jedoch bleiben.
    Mahmud schaltete die Stereoanlage aus.
    Er sagte: »Mir ist ’ne Matheaufgabe eingefallen, mit der man das perfekte Verbrechen berechnen kann.«
    »Wieso ’ne Matheaufgabe?«
    »Also, es geht um Folgendes. Man kann kleine Münzen sammeln. Kleingeld in Scheine umwandeln. Weitersammeln, Zeug anschaffen und jahrelang Shit vertickern. Man kann Leute erpressen, kleine Dinger drehen, was auch immer. Aber es ist letztlich so: je mehr Kohle, desto besser. Je weniger Zeit man im Knast riskiert, desto besser, oder?«
    »Klar.«
    »Okay, dann geht’s weiter. Wenn man das nimmt, was man daran verdient und durch die Jahre an Strafe teilt, die man dafür bekommt, erhält man eine bestimmte Zahl. Kapiert?«
    »Ja, verflixt, ich hatte immerhin ’n G in Mathe.«
    »Du erbeutest also zum Beispiel fünf Mille und riskierst dafür fünf Jahre Knast, oder du erbeutest acht Mille und bekommst dafür zehn Jahre. Was würdest du tun?«
    »Es kommt drauf an.«
    »Aber denk doch mal so, fünf Mille geteilt durch fünf sind eine Million. Acht Mille geteilt durch zehn sind nur achthundert Lachse. Also sollte man sich ja wohl für die erste Variante entscheiden. Da sind es mehr Kronen pro Jahr. So denken nämlich die Hells Angels, nachdem sie angefangen haben, ’ne Menge Wirtschaftsdeals zu drehen. Auf diese Weise umgehen sie hohe Strafen.«
    »Okay, ich kapier, was du sagen willst. Aber vielleicht will man lieber acht Mille haben als fünf, oder? Man möchte vielleicht lieber ’nen Ferrari fahren können als ’nen BMW ?«
     
    Eine Viertelstunde später. Sie fuhren auf den Malmväg. Jorges Kindheitshoods. Zehngeschossige Ghettohochhäuser, deren fleckiger Beton bereits abblätterte. Der Ort, der ihn zu dem gemacht hatte, der er war: J-Boy, der Ausreißer, der Cafébesitzer. Der Ort, an dem seine Mutter für ihn getan hatte, was in ihrer Macht lag. Sie wohnte noch immer nicht weit entfernt, in Kista.
    Er fragte sich, was die Leute wohl über den Wagen dachten. Der Range Rover: fucking enorm. ’n Feeling wie in einem Bus.
    Er dachte: Malmvägen war ein Staat im Staate. Ein Schweden im Schwedenland. Ein eigenes Reich, in der solche wie er sich mit dem Gesetz auskannten. Es war etwas, das die Normaloschweden niemals kapieren würden – denn sie hatten sich gewöhnt an geschiedene Mütter, Halbgeschwister, Stiefväter, vierzehnjährige Bräute, die im Suff vergewaltigt wurden, Alte, die in Altersheimen untergebracht wurden, und runtergekommene Penner auf Parkbänken, deren Familien sich nicht um sie kümmerten. Es war weit davon entfernt, perfekt zu sein. Also musste sich der Vorort schützen. Eigene Systeme ins schwedische System einbauen. Sich seine Eigenständigkeit bewahren. Das meiste in den Hoods war allerdings besser als im übrigen Schweden. Man kümmerte sich umeinander. Das Leben hatte eine tiefere Bedeutung. Freundschaft, Liebe, Hass – die Gefühle existierten nicht nur zum Schein.
    Er schaute auf. Das Kellerabteil lag in Haus Nummer fünfundvierzig.
    Hinter ihnen: Ein Geräusch. Ein Licht.
    Er drehte sich um.
    Eine Zivilstreife. Mit Blaulicht auf dem Dach. Jorge konnte es nicht fassen, wie er die hatte übersehen können. Ein Saab 9–5 mit getönten hinteren Scheiben und unnötig vielen Radioantennen – der Wagen schrie geradezu nach einer Zivilstreife.
    Er warf einen Blick auf die Tasche am Boden zwischen Mahmuds Füßen.
    Er hielt an. »Jetzt sitzen wir in der Klemme.«
    Jorge drehte sich erneut um. Ein junges Mädel in Zivil stieg aus. Ein weiterer Bulle schien noch im Wagen zu sitzen.
    Er erblickte Schweißperlen auf Mahmuds Stirn.
    Ihn selber attackierten

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