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Lass sie bluten

Lass sie bluten

Titel: Lass sie bluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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oder Vogelhäuschen tischlern. Manche sparten ihren Wochenlohn auf den Konten der Anstalt, andere kauften sich für die Knete Kautabak und Limo. Manche schickten jede einzelne Krone an die Familie nach Südamerika, Rumänien oder Örebro. Ein Insasse hatte vor, alle seine Ersparnisse, rund viertausend Kronen, auf das Konto eines Mitgefangenen zu überführen. Die Gefängnisleitung hegte jedoch den Verdacht auf Spielschulden und verbot die Transaktion. Der Typ bekam die Krise, weigerte sich zwei Wochen lang, seine Zelle zu verlassen. In der dritten Woche begann er seinen Kot an die Wände zu schmieren. Manchmal nahm die Verzweiflung überhand. Unbezahlte Pokerschulden konnten schlimmer sein als alle Scheiße der Welt.
    Die meisten pfiffen jedoch darauf zu arbeiten. Hingen lieber den ganzen Tag lang im Korridor herum. Spielten Canasta oder Computerspiele. Lagen in ihren Zellen und sahen fern. Spielten Tischtennis.
    Mitunter machte sich der gesamte Korridor auf den Weg durch die unterirdischen Gänge in die Sporthalle der Anstalt. Dort spielten sie Hallenhockey oder Basketball. Es endete nahezu immer im Streit. Die Leute rächten sich auf dem Spielfeld für zugefügte Kränkungen. Aber das war immer noch besser, als wenn sie es mit einer angespitzten Zahnbürste unter der Dusche taten.
    Hägerströms Auftrag lautete, ein beliebter Aufseher zu werden, ein argloser Aufseher, ein Esel. Das Ganze wurde nicht besser durch die Tatsache, dass die Insassen von seiner Vergangenheit als Bulle wussten. Wenn auch einer, den sie gekickt hatten – aber immerhin. FTP , ACAB . Die Graffitis an den Zellenwänden sprachen ihre eigene Sprache:
Fuck The Police. All Cops are Bastards
. Er musste das Vertrauen der Jungs gewinnen. Sich zu einem Aufseher entwickeln, der dafür bekannt war, auch mal nachgiebig zu sein. Der niemals unnötig die Schwarze Truppe rief. Ihnen immer eine halbe Stunde zusätzlich im Besucherzimmer mit der estnischen Frau ermöglichte, von der alle außer der Gefängnisleitung wussten, dass sie eine Nutte war. Der es nicht an die große Glocke hängte, wenn die Zellentüren nach acht Uhr abends noch offenstanden. Keine überpeniblen Zimmerdurchsuchungen vornahm. Den Zwischenraum zwischen Bett und Wand oder die eingerissene Sohle der Anstaltspantoffeln nicht unnötig kontrollierte.
     
    Eines Abends, als er gerade dabei war, ein Gespräch mit JW anzufangen, hörte Hägerström Geräusche. Hinter einer geschlossenen Zellentür, Nummer sieben. Er öffnete die Luke und warf einen Blick hinein. Mindestens fünf Insassen drängten sich darin. Lautstark. Total besoffen. Feuchtfröhlich. Er klopfte an, bevor er eintrat. Wollte ihnen Respekt erweisen. Sie verstummten. Er öffnete die Tür. Sie hatten irgendwo Hefe und Rosinen aufgetrieben und in einem Wassereimer Maische hergestellt. Hägerström bemühte sich, vernünftig mit den Jungs zu reden. Das Ganze mit ihnen zu besprechen und sie zu der Einsicht zu bringen, dass es sich nicht gerade um eine gute Idee handelte. Ich lass es dieses Mal ohne Verwarnung durchgehen, aber macht euch jetzt vom Acker.
    Was die anderen Aufseher von ihm hielten, konnte er nur erahnen. Schlaffheit war nicht gerade eine Feder, die man sich an den Hut stecken konnte. Aber unter den Insassen erhöhte der Vorfall seinen Status unmittelbar. Er spürte es, sobald kein anderer Aufseher in der Nähe war. Sie begannen ihn zu mögen.
    Aber es gab ein Aber. Die Zeit war knapp. In wenigen Monaten würde dieses Fenster geschlossen werden. Er musste die Sache mit JW vorher auf die Reihe kriegen.
    Sie hatten sich bereits oft miteinander unterhalten. JW war höflich, entgegenkommend. Machte keinen Ärger. Beklagte sich nie. Keine Prahlerei damit, dass ausgerechnet er einen Nachschlag beim Essen erhielt, das Recht bekam, sich im Zimmer eines Mitinsassen aufzuhalten, oder was sonst noch alles ständig diskutiert, begehrt, verlangt wurde. Er war easy-going, wohlartikuliert, positiv. Eine Reihe von Aufsehern fanden, dass er aalglatt sei, aber im Großen und Ganzen war man froh, dass er ruhig und pflegeleicht war.
    Hägerström fragte vorsichtig herum, ob jemand vom Personal guten Kontakt zu JW hätte, ob er sich mit einer bestimmten Person öfter unterhielte. Ob ihm jemand über die reinen Höflichkeitsfloskeln hinaus nähergekommen sei. Die Antwort war eindeutig: Keiner der jetzigen Angestellten unterhielt diese Art von Beziehung zu JW . Aber Esmeralda bestätigte Torsfjälls Behauptung, den Grund dafür, dass

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