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Lass sie bluten

Lass sie bluten

Titel: Lass sie bluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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vor zu warten, bis alle still waren. Kein Räuspern. Keine »Hallo, ich würde jetzt gern anfangen«-Scheiße. Lediglich warten. Er: der Anführer.
    Nach einigen Sekunden: Sie kapierten den Wink. Wurden leiser. Lehnten sich zurück. Richteten ihre Blicke auf ihn.
    Jorge begann: »Jungs. Heute ist ein großer Tag. Es ist das erste Mal, dass wir uns alle gemeinsam sehen. Ich hab vor, euch die ganze Sache zu erläutern. Nicht bis ins kleinste Detail oder so, aber das Wichtigste. Ich will, dass ihr den Grundgedanken dieses Coups kapiert. Wenn irgendetwas passiert, wenn einer von euch verschwindet oder so, müssen die anderen einspringen können und seinen Part übernehmen. Kapiert?«
    Jorge hatte seine Rede vorbereitet. Musste sich vor den Jungs professionell geben.
    »Wir werden uns vielleicht noch mehrmals in dieser Zusammensetzung treffen müssen. Denn im Hinblick auf gewisse Dinge müssen wir zusammenarbeiten. Aber das kriegen wir schon hin.«
    Er hörte, wie die Worte des Finnen aus seinem eigenen Mund kamen.
    »Ich hab vor, ’n paar Regeln hier auf das Whiteboard zu schreiben. Dinge, die wir alle beherzigen müssen. Regeln, an die wir uns halten müssen. Glaubt mir, wenn wir irgendetwas falsch machen, kann das Ganze zum absoluten Fuck up werden.«
    Jorge begann zu schreiben, während er erklärte.
    »Alle müssen ihre eigenen Sachen beenden. Und ich weiß, dass ihr wisst, was ich meine.«
    Er brauchte die Sache nicht weiter auszuführen. Alle wussten: Javier dealte mit Gras und beaufsichtigte an vier Nächten in der Woche Nutten. Robert veranlasste von Zeit zu Zeit Eintreibungen. Der Viktortyp stattete gestohlene deutsche Luxuslimousinen mit neuen Nummernschildern aus und verschacherte sie über seine Firma.
    »Jegliches Business, das nicht blütenrein ist, lassen wir ab jetzt ruhen. Wenn ich irgendwen von euch mit irgendwelchen krummen Nebengeschäften erwische, muss er sich vor mir verantworten.«
    Er schrieb weitere Regeln auf.
    Kein übermäßiger Alkoholkonsum.
    Kein Drogenkonsum.
    »Das erklärt sich von selbst. Denn im Suff oder wenn ihr high seid, fangt ihr an zu quatschen. Man lässt mehr raus als die Soldaten bei der amerikanischen Armee. So ist es immer.«
    Ausschließlich gesetzlich erlaubtes Parken.
    »Falls ihr mal falsch parkt – drückt die Gebühr ab und vergesst nicht, das Knöllchen an einem anderen Ort wegzuwerfen als dort, wo ihr wohnt. Ansonsten kann es passieren, dass die Bullen es finden und im Nachhinein rekonstruieren können, wo ihr gewesen seid. Lasst immer jemanden vor euch fahren, wenn ihr heiße Sachen im Wagen habt.«
    Er dachte erneut an die Verfolgungsjagd in Sollentuna. Wenn sie einen Wagen vor sich gehabt hätten, so wie Jorge es jetzt propagierte, wäre es nie so weit gekommen.
    Er fuhr fort, Regeln aufzulisten.
    Keine Notizzettel.
    Keine SMS .
    Nichts Wichtiges ohne Handschuhe anfassen.
    Am wichtigsten von allem: keine Gespräche mit jemandem über das hier. Nicht mal mit Freundinnen/Homies/Brüdern.
    Mit keinem.
    »Habt ihr das kapiert?«
    Jorge schaute in die Runde. Musterte einen nach dem anderen. Das hier waren keine Jungs, die sich irgendeine Scheiße bieten ließen. Das hier waren Jungs, die normalerweise jedem, der aufmuckte, Prügel verpassten. Dennoch: Der Augenblick zählte. Wenn sie die Regeln nicht einhielten, konnten sie sich genauso gut gleich verpissen.
     
    Nach einer Weile: Jorge öffnete seine Tasche. Holte ein schwarzes Futteral in der Größe eines DVD -Players heraus. Öffnete den Reißverschluss. Ein Projektor. Er richtete die Videokamera aus. Steckte die Stecker hinein. Fingerte an den Knöpfen herum. Technik war eigentlich eher nicht sein Ding – aber diese Geräte hatte er vorher zu Hause gecheckt.
    Auf der Leinwand wurde ein Bild sichtbar. Eine wackelnde Straße durch eine Windschutzscheibe hindurch.
    »Hier sehen wir die Einfahrt von Tomteboda.«
    Der Film lief. Jorge kommentierte alles, was sie sahen. Er kannte sich inzwischen auf dem Gelände aus. Der Zaun um das Gebäude herum und die Verladerampen in der Ferne wirkten wie kleine Spielzeugteile. Er zoomte sie heran. Jetzt war die Entfernung zum Zaun, zu den Überwachungskameras, den Eisenbahngleisen, Einfahrten und Kontrollhütten kürzer.
    Er zoomte erneut: massive Tore mit motorbetriebenem Schiebemechanismus.
    »Meine Kontaktperson und ich arbeiten daran, wie wir am besten reinkommen. Entweder werden wir irgendwo den Zaun aufbrechen, aber es kann sein, dass das zu lange dauert. Oder wir

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