Lasse
reserviert. Es war sowieso schon immer schwierig gewesen, auch nur zwei Ferienwochen gemeinsam zu verbringen, aber seit Ole und ich ständig drehten, war es praktisch unmöglich geworden. Es hatte viel Planung bedeutet, uns an diesem Wochenende zu treffen und nun würden wir es vermutlich damit verbringen, über Oles und meine Probleme zu reden. Für uns alle hingen Beruf und Leben viel zu eng zusammen, als dass man das eine vom anderen trennen konnte. Und mir fiel mal wieder auf, dass ich fast niemanden außerhalb des Filmgeschäfts gut kannte. Oder zumindest kannte ich niemanden, der mich nicht mit dem Filmgeschäft in Zusammenhang brachte. Meine alten Kumpels von der Schule fanden es toll und aufregend, dass ich Filme drehte und auf Plakaten abgebildet war. Es klang seltsam, wenn ich ihnen klar machen wollte, dass mich das meist gar nicht interessierte. Die meisten dachten auch, dass dies, genauso wie der rote Teppich und die ganze Aufmerksamkeit, das Spannendste an dem Job war. Darüber hätte ich gerne mit ihnen diskutiert, aber wenn einen die Schule oder ein Studium nicht mehr verband, was hatte man dann miteinander zu tun?
Zwei Stunden Flug, dann landete der Flieger auf dem winzigen Flughafen von Göteborg. Als ich das erste Mal dort ankam, dachte ich, der Pilot hätte sich im Zielflughafen geirrt. Ich ging über das Startfeld, auf dem überhaupt nur zwei Flieger standen, in die Ankunftshalle. Meine Mutter umarmte mich und wollte mir die Reisetasche abnehmen als wäre ich noch ein Kind.
»Lass' mal, die trage ich schon.«
Wir gingen zu einem Leihwagen, den sie für die Zeit hier gemietet hatte.
»Ich müsste noch kurz vorher ins Büro. Ist das okay?«
Ich nickte. Ihr Büro war in Trollhättan. Von Göteborg fuhr man ungefähr eine Stunde. Es war die Heimatstadt meiner Mutter, sie war dort geboren und aufgewachsen und ist erst nach Hamburg gezogen, nachdem sie meinen Vater getroffen hatte. Doch ihren kleinen Büroraum bei
Filmi Väst
hat sie nie aufgegeben, da sie immer mal wieder in Schweden arbeitete und auch ein paar schwedische Schauspieler unter Vertrag hat.
»Ich hab versucht, dich anzurufen«, sagte ich auf dem Weg zum Auto, bevor sie fragte.
Sie sah mich kurz an. »Und? Wie war das Gespräch?«
»Keine Ahnung, was Nora wollte. Wir haben nur kurz geredet und dann ...«
Sie blieb stehen und sah mich fragend an. »War der Regisseur da?«
»Nein.«
»Versteh ich nicht.« Sie seufzte, aber nicht, weil sie mir einen Vorwurf machte. Noch nicht. Denn es war nicht so, dass ich etwas erklären musste. So etwas kam ständig vor. Nicht nur bei der Besetzung, auch später gab es genügend Momente, in denen unvorhergesehene Dinge geschahen. Manchmal wurden Filme nach Testvorführungen komplett umgeschnitten, weil das Publikum den Handlungsausgang nicht mochte. Und so mancher Schauspieler fand sich dann im späteren Film nicht mehr wieder. Aber klar, dies hier war anders. Denn ich hatte schon eine Ahnung, was los gewesen war.
Ich mag die schwedische Landschaft. Hügelig, extrem grün und zwischen den kleinen Orten gab es diese großzügige Weite, als ob das Land noch nicht besiedelt war. Doch als ich aus dem Seitenfenster nach draußen starrte, realisierte ich das gar nicht, sondern war ganz in meinen Gedanken versunken und versuchte die letzten 24 Stunden in eine Erklärung zu packen, mit der nicht nur meine Mutter, sondern vor allem ich selber leben konnte. Doch es gelang mir nicht. Schließlich kamen wir in Trollhättan an und fuhren gleich zu Filmi Väst . Das Filmhaus war ein moderner kleiner Bau in der Nähe der Innenstadt von Trollhättan. Die Stadt wird gerne das Trollywood von Schweden genannt, hier werden viele Filme gedreht, wobei viel für Schweden natürlich nicht wirklich viel ist. Es gab sogar einen Walk of Fame in der Stadt. Stellan Skarsgård , der vielleicht international bekannteste schwedische Schauspieler, hatte dort einen Stern. Wir wurden oft mit der Skarsgård-Familie verglichen, denn vier von Stellans sechs Kindern waren Schauspieler und natürlich waren wir befreundet mit ihnen. Meine Mutter kannte vermutlich alle schwedischen Schauspieler, was wiederum nicht sehr schwierig war.
Ich wartete am Auto, während sie ins Büro ging. Der Parkplatz war fast leer, es war Sommerpause. Ich stieg aus, vertrat mir die Beine und versuchte Gerion zu erreichen, aber da war wieder nur die Mailbox.
Als meine Mutter zurückkam, sah ich es schon an ihrer Haltung. Sie hatte vermutlich oben mit Nora
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