Lasse
Ähnlichkeit zu Moon. Die Augen, eindeutig. Tiefblau. Und vielleicht der Mund.
»Und finden Sie nicht, Ihre Tochter sollte entscheiden, ob sie mit mir noch etwas zu tun haben will?«
»Nein, finde ich nicht. Nicht so lange sie minderjährig ist.«
Minderjährig. Wirklich? Fünfzehn? Oder unter einundzwanzig? Ich schluckte.
»Frau Wallner wäre jetzt so weit.«
Die Assistentin stand artig neben uns. Ich wollte das Gespräch noch nicht beenden, doch er erhob sich und ich tat das gleiche. Nora stand lächelnd in der Tür. Er nickte mir kurz zu und verabschiedete sich dann von Nora. Mir fiel auf, dass er sich um Distanz bemühte, dabei sah man, dass zwischen beiden etwas lief.
An diesem Punkt hätte mir klar sein müssen, dass die Sache für mich gelaufen war. In jeder Hinsicht. Aber es ist seltsam, man hofft gerade in solchen Situationen, eingeklemmt in eine Gletscherspalte, dass es noch Rettung gibt. Und genau das tat ich.
Der Raum, in den Nora mich führte, war ein großer Besprechungsraum mit einem ovalen Tisch in der Mitte und vielen Stühlen, die alle leer waren. Kein Regisseur , war mein erster Gedanke und auch kein anderer Schauspieler, aber das beunruhigte mich eher.
»Setz dich.«
Ich wählte einen Stuhl an der Schmalseite und Nora nahm gegenüber Platz. Zwischen uns stand eine Isolierkanne aus Edelstahl, in der vermutlich Kaffee war, ein paar Becher, ein Teller mit Keksen. Das übliche Arrangement.
»Danke, dass du gekommen bist. Ich habe heute Morgen noch mit deiner Mutter telefoniert, ich wusste nicht, ob ...«
Sie räusperte sich kurz. Jetzt wäre vielleicht der Moment für eine Entschuldigung gewesen, aber mich jetzt dafür zu entschuldigen, dass ich auf Noras Bett gelegen hatte, kam mir wie ein viel größerer Fauxpas vor. Außerdem begriff ich, dass es hier nur noch darum ging, alles anständig zu Ende zu bringen. Trotzdem, oder gerade deshalb, fragte sie mich nach meinem Eindruck vom Drehbuch, wir redeten über Filme, über meinen Vater, meinen Bruder, für wie begabt sie uns hielt und dass sie sich sehr gefreut hätte, mich kennen zu lernen. Und mit jedem Satz, den sie sagte und dabei nicht auf die Rolle zu sprechen kam, wurde es deutlicher.
»Tja, wann geht dein Flug nach Göteborg?«
»Um vier.«
»Ich kann dir gerne ein Taxi rufen lassen.«
Ich stand auf, sie stand auf.
»Grüß deine Mutter von mir.«
Ich nickte und gleichzeitig stürzte eine Welt über mir zusammen. Es war alles ruiniert, in weniger als einer halben Stunde hatten Nora und Moons Vater meine Pläne in jeder Hinsicht zerstört.
7 Auf der Straße wartete ich auf das Taxi, ich wollte nur raus aus dem Büro, weg von Nora und der ganzen Situation. Mir fiel ein, dass ich meine Mutter anrufen musste. Wenn ich es nicht tat, würde sie anrufen und da sie mich in Göteborg vom Flughafen abholte, konnte ich mich sowieso nicht davor drücken. Ich wählte ihre Nummer und war erleichtert, als besetzt war. Doch mit irgendjemandem musste ich reden. Ole? Gerion?
Ich wählte Gerions Nummer, vielleicht sollte ich den Flug sausen lassen und zu ihm fahren? Niemand nahm ab. Natürlich, er drehte, war am Set, sein Handy ausgeschaltet oder es lag im Trailer.
Das Taxi fuhr vor.
»Zum Flughafen, bitte.«
Ich war eine Stunde zu früh am Flughafen, checkte trotzdem ein und setzte mich in eines der Restaurants, die in München zum Glück hinter dem Check-In lagen. Hunger hatte ich keinen, aber ich holte mir einen Kaffee, um etwas vor mir stehen zu haben. Zeit zu warten, vielleicht das, was ich am besten konnte. Doch kaum saß ich, dachte ich an sie und spürte ein Gefühl von Verlust. Und es war nicht so, wie mit dem Filmprojekt. Darauf konnte ich verzichten, es kamen neue. Mit ihr war es anders. Ich hatte so oft in Filmen den verliebten Jungen gespielt. Kein Problem. Ein sehnsüchtiger Blick, ein trauriges Abwenden. Als wäre das alles. In Wirklichkeit zerriss mir gerade ein etwas zu stumpfes Messer mein Herz und arbeitete sich sehr unfachmännisch zu meinem Magen vor. Was war, wenn das nicht aufhörte?
Eine halbe Stunde, bis der Flieger nach Schweden ging. Gestern hatte ich mich noch darauf gefreut. Dort wollten wir uns alle treffen. Obwohl ich nicht in Schweden aufgewachsen war, fühlt es sich wie Heimat an und ich fuhr immer gerne dorthin, zu meinen Verwandten, dem Haus meiner Großeltern. Mein Vater wollte für vier drehfreie Tage kommen, Ole hatte zwei Wochen frei und meine Mutter hatte das Ferienhaus meines Onkels für uns
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