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Lasse

Lasse

Titel: Lasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Bongard
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fragte mich auch manchmal, ob sie das hier nicht vermisste. Dieses ruhige Leben, die Landschaft, die Einfachheit, die Menschen, die schon deshalb nett zu einander waren, weil sie nicht so eng auf einander hockten. Ich vermisste es sogar, ohne es je gehabt zu haben.
    »Kennst du ... Wanderwege hier?«
    Er sah mich an, als ob er mich falsch verstanden hätte.
    »Wanderwege?«
    »Ich will mir die Gegend ansehen.«
    Nach dem Frühstück brach ich auf. Sicher, das war kein Pilgerweg und darum ging es mir auch nicht, aber draußen, mit dem Blick über die Landschaft, fiel es mir leichter, mir über ein paar Dinge klar zu werden. Wollte ich noch schauspielern? Vor ein paar Jahren hatte ich neben der Schule noch YouTube-Videos gedreht, bei abgedrehten Projekten Regie geführt oder Kamera gemacht und nun hockte ich herum, bis der nächste Dreh kam, als ob mein Leben neben den Drehs und dem Leben am Set gar nicht mehr stattfände. Und wenn ich dann am Set war, dann fing ich garantiert was mit einem Mädchen an, nur um nicht einsam zu sein. Um dann die Beziehung am Ende des Drehs zu vergessen. Es war auch nicht so, dass ich unbedingt eine Beziehung wollte. Wozu? Ich war sowieso ständig unterwegs. Doch das änderte sich gerade.
    Ich setzte mich auf einen großen Stein und holte mein iPhone heraus. So viel zu meinem Ausflug in die Natur . Ich checkte meine Mails und schrieb eine SMS an Gerion. Wenn er zurück von seinem Dreh war, könnten wir uns treffen. Ich war mir sicher, dass er mir helfen konnte, ein paar Dinge klarer zu bekommen. Auch er hatte eine Wohnung in Hamburg, aber bei ihm war es wie bei mir. Wir hielten uns selten in unseren Wohnungen auf. Dann googelte ich wieder nach Moon. Ich wollte einfach mehr über sie erfahren. Vor allem musste ich wissen, wie alt sie war.
    Nach einer halben Stunde hatte ich herausgefunden, dass sie mit ihren Eltern in München wohnte, noch zur Schule ging und ihre Mutter vermutlich Bühnenbildnerin war. Ich stand auf. Sie war zu jung für mich. Eindeutig, sagte mein Verstand. Aber mein Gefühl interessierte das nicht.
    Am nächsten Tag fuhr Sven nach Göteborg, um Ole und seine neue Freundin vom Flugplatz abzuholen. Danach würde er wieder zu sich ziehen, es wurde zu eng im Haus. Ich fand es schade, aber ich freute mich auch auf Ole, denn ich musste dringend mit jemanden in meinem Alter reden.
    Am Nachmittag stand ich am Fenster und sah die Gruppe aus dem Auto steigen. Ich achtete auf die kleinen Gesten, wie Ole mit dem Mädchen umging, wie er überhaupt gelaunt war, aber erst, als er ins Haus kam und uns begrüßte, konnte ich mir ein besseres Bild machen. Ole kam auf mich zu, umarmte mich, schlug mir kräftig auf die Schulter.
    »Hej, hej, Lasse. Ich hab die Bilder gesehen! Sag mal, ich hoffe, das war nicht mein Anzug? Gott, warum war ich nicht da! Hej, Lisa, das ist mein Bruder, der auf dem Foto ...«
    »Schon gut«, unterbrach ich ihn und machte eine unauffällige Kopfbewegung in Richtung unserer Mutter. Er musste das jetzt nicht noch breittreten.
    Ich ging auf Lisa zu und reichte ihr die Hand.
    »Hej, willkommen in der Wildnis.« Und sah es sofort. An der Art, wie sie mich ansah, wie sie Ole anhimmelte, wie sie meine Mutter begrüßte. Ich weiß nicht, ob ich den Virus in mir hatte und es deshalb besonders deutlich wahrnahm, aber Lisa war eindeutig schwer verliebt in meinen Bruder. Das hatte ich zwar schon öfter gesehen, aber nicht in unserem Ferienhaus. Ole brachte sonst nie Mädchen mit in die Familie. War das ernst? War Ole auch in sie verliebt? Ich wollte das schnell geklärt haben und nutzte die Gelegenheit, als meine Mutter Lisa das Haus zeigte. Ole und ich gingen zusammen in die Küche, wo wir allein waren.
    »Wollt ihr heiraten?«
    Klar, das war nur ein Spruch, aber er brachte die Sache schnell auf den Punkt.
    Ole sah mich überrascht an und zog die Augenbrauen hoch. »Nervt es dich, dass sie hier ist?«
    Es war die Art, wie er überrascht aufsah, dieser vollkommen gleichgültige Blick, der die Sache schneller klärte, als die Erklärung, die er mir später lieferte. Für Ole war sie nur ein Flirt. Ein Mädchen, das er mitbrachte, weil er es in irgendeiner unbedachten Minute vorgeschlagen hatte: » Wenn du zwei Wochen drehfrei hast, kannst du auch mit zu mir kommen .« Weil sie vermutlich beide im Film ein Paar spielten, schon zweimal professionellerweise halbnackt zusammen im Bett gelegen hatten und nun alles durcheinander war. Ich kannte das.
    »Äh, wie machen wir das mit

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