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Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter: Von Edel-Eltern und ihren Bestimmerkindern (German Edition)

Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter: Von Edel-Eltern und ihren Bestimmerkindern (German Edition)

Titel: Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter: Von Edel-Eltern und ihren Bestimmerkindern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Maier
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für Tag kümmern müsste, wurde verdrängt von der Frage, wie mir das Muttersein dereinst stehen würde, wie ich aussehen und was ich zu diesem Zweck anziehen und anschaffen würde.
    Zu dieser Zeit, so mit fünfzehn, sechzehn Jahren, gehörte ich zu jenen Girls, die sich schwarz kleideten, schwarze Wimperntusche in rauen Mengen verbrauchten und sich hin und wieder im elterlichen Badezimmer das Blondhaar schwarz färbten, was dann sehr unvorteilhaft wirkte. Ich erinnere mich an ein Gespräch zwischen Mutter und Tochter – also mir. Wir waren gerade in der Küche, meine Mutter bereitete das Abendbrot vor, und ich saß, meine schwarz lackierten Fingernägel abkauend, auf dem Mülleimer. »Wenn ich mal ein Kind habe, will ich einen schwarzen Kinderwagen«, tönte ich. »Das«, sagte meine Mutter, »wird es niemals geben. Schwarze Kinderwagen – darauf kannst du bis in die Steinzeit warten. Man legt Babys nicht in Särge.«
    Meine Mutter ist eine kluge Frau. Schon oft hat sie mir gute Ratschläge gegeben, vielfältige Lebensbereiche betreffend. Aber in der Kinderwagenfrage hat sie sich absolut geirrt. Im Prenzlauer Berg kreuzen heute ganze Geschwader schwarzer Kindersärge auf Hightechgestellen. Drin liegen Babys, die wiederum nichts als schwarz sehen. Denn ein gemeiner Designer hat die Wagen innen mit dunkelgrauem Baumwollbezug versehen. Ich hoffe, dass diese kleinen Dinger – aus dem dunklen Mutterbauch ins Licht geboren – froh drum sind, dass es in ihrer Kutsche genauso duster ist, wie sie es von Anbeginn kennen.
    Davon mal abgesehen, frage ich mich: Tut das not? Welche Idee steckt dahinter, Kinder in Wagen zu betten und zu setzen, deren Farbe doch eher für Cocktailkleider, Hochzeitsfräcke und Beerdigungsanzüge gedacht ist? Um mehr darüber zu erfahren, besuche ich einen der angesagtesten Läden. Zehn Filialen in neun Städten, Slogan: »… richtig gutes kinderzeug«. Kleinschreibung wie bei der RAF . Sibylle hat mir davon erzählt, dort, sagte sie, gebe es alles, was man für Kinder brauche. Und dann auch noch alles, was man nicht brauche, vorausgesetzt, man ist der gleichen Meinung wie sie, dass Kinder nicht jeden Schnickschnack haben müssen.
    Und wirklich, da stehen sie, die Kinderwagen: sechs nachtschwarze und einer in fast schon flippigem Dunkelolivgrün. Eine depressive Armada im Hochpreissegment. Warum, frage ich den netten Verkäufer, gibt es keine bunten Kinderwagen mehr? Er, selbst Vater von vier Kindern, fragt sich das ehrlich gesagt auch. Letztes Jahr, erzählt er, habe eine der angesagten Firmen eine Musteredition herausgebracht, sehr cool und bunt. Drei Stück haben sie davon angeboten, Gott sei Dank nur so wenige, denn es sei wirklich schwer gewesen, »die an den Mann zu bringen«.
    Seine Formulierung führt mich zu der Frage, ob möglicherweise vor allem die Väter über Kaufen oder Nichtkaufen bei Kinderwagen entscheiden. Ob es nicht vielleicht so ist, dass Männer, die wegen einer kurzen sexuellen Unachtsamkeit künftig gezwungen sind, ihre Hände auf die Buggystange statt aufs Lenkrad eines Autos oder Rennrads zu legen, beim Kinderwagenerwerb instinktiv Richtung Schwarz neigen. Wenn’s geht, kauft man sich ja auch eher einen schwarzen Golf statt eines gelb geblümten, nicht wahr?
    Abwegig ist der Gedanke nicht. Schaut man sich die Preise der Kinderwagen an, tendieren die mitunter schon in die Richtung eines kleinen Gebrauchtwagens, den man noch mal zehntausend Kilometer runterrocken will. Die Qualitätsgefährte für den innerstädtischen Nachwuchs tragen Namen, als solle man mit ihnen die Rallye Paris–Dakhar fahren oder einen südamerikanischen Sechstausender bezwingen. Oder – wenn das nun schon aufgrund überraschender Elternschaft perdu ist – wenigstens einen City-Marathon laufen. Urban Jungle heißen die Wagen, Phil & Teds Explorer, Terrain Jogger oder Easy Walker Sky Plus. Das soll vermutlich rechtfertigen, dass die Dinger so dermaßen teuer sind.
    Der Urban Jungle zum Beispiel kostet mal eben 630 Euro, und zwar ohne Babytasche, in die das Neugeborene gelegt wird. Die kostet noch mal 190 Eisen. Macht 820 Euro. Aber das ist nur die Grundausstattung. Man kann das vergleichen mit diesen ärgerlichen Fahrradkäufen, wo zwei Felgen und ein Rahmen 600 Euro kosten und man feststellen muss, dass es weder Licht noch Schutzbleche oder einen Gepäckträger gibt. Auch der Urban Jungle ist bei 820 Euro längst nicht komplett. Die wichtige Sitzeinlage für die Buggyvariante kostet 51 Euro

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