Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter: Von Edel-Eltern und ihren Bestimmerkindern (German Edition)
in zwanzig Minuten in schönstem Brandenburgisch darlegte, was sie alles nicht bereit war zu tun: Klassenfahrt, Nachhilfe, Förderunterricht.
Derlei Erfahrungen vergisst und verzeiht man nie. Es sind Geschichten, die später alle guten Erinnerungen überlagern werden. Geschichten von Pädagogen, die das Beste, was man hat, miserabel behandeln: die Kinder.
Wir nahmen die beiden da raus und brachten sie fortan täglich mit dem Auto in eine vier Kilometer entfernte Dorfschule. Fünfzehn Kinder in der Klasse, Wandertage zum nächsten Fischteich, selbst gekochtes Mittagessen, eine gute Hortnerin – das Leben konnte so einfach sein. Aber dann hieß es wieder wechseln. Gymnasium! Ein Respektswort, das einen Ort bezeichnete, der so tat, als sei er was für bildungshungrige Pubertierende, sich aber schließlich doch als stinknormale Schule herausstellte, in der in all den Jahren nie etwas reibungslos funktionierte. Dauerkranke Lehrer, dreckige Klos, eine kaputte Turnhalle, fehlende Lernmaterialien, resignierte, zynische Pädagogen, die seit dreißig Jahren stur denselben Stoff in derselben Darreichungsform anboten. In der Zwischenzeit konnte ihr Staat aufgelöst worden sein oder einer ihrer Schüler sich vor den Zug geworfen haben – die Osmose wollte erklärt sein, egal ob sie gerade wichtig war oder überhaupt begriffen wurde.
Es existiert ein Zeugnis, auf dem meiner Tochter bescheinigt wird, dass sie im neunten Schuljahr weder in Geschichte noch im Fach Politische Bildung benotet werden konnte, weil der dazugehörige Lehrer komplett gefehlt hat. Kein Ersatzlehrer war aufzutreiben gewesen, keine zeitweise Vertretung, kein Konzept, diesem Mangel beizukommen. Eine Draußen-nur-Kännchen-Mentalität von Leuten, die mit Menschen arbeiten und so tun, als zählten sie Schrauben.
Inzwischen ist eine meiner Töchter durch diese Maschinerie durch, die andere sieht einem gnädigen Ende entgegen. Und selbst wenn sie das versemmeln würde, bliebe ich ganz ruhig. All die unsicheren, quälenden Schulkarrierejahre haben aus mir eine Mutter in Duldungsstarre gemacht, die einfach hofft, dass es vorbeigehen möge. Und wenn ich dann in der privaten Phorms-Schule sitze und Frau Schwarz-Rot darüber reden höre, wie spannend, geil und einzigartig das hier für die betuchten Kinder werden kann, dann werde ich schon ein bisschen missmutig.
Aber dann ist sie fertig mit ihrem Vortrag, und tatsächlich kommt Heather und nimmt mich mit. Sie soll Eltern wie mir mal die Schule zeigen. Heather ist zwölf und spindeldünn, sie und ihre kleine Schwester werden jeden Morgen von Mama aus Schmargendorf hierher chauffiert. Mama arbeitet im Ministerium. Heather liebt ihre Schule. Sie zeigt den Kunstraum, die riesige neue Basketballhalle. Sogar den freudlosen Schulhof lobt sie in den höchsten Tönen. Es fällt mir schwer zu begreifen, dass dieses Mädchen Spaß daran hat, zur Schule zu gehen. Ich bin sicher, wenn Mamas Volvo mal kaputt ist, nimmt sie auch morgens um sieben klaglos die U-Bahn, um hierherzukommen, so schön und wichtig ist das hier für sie. Du hast’s gut, Heather, denke ich, jetzt müssten nur noch alle anderen Kinder so eine dolle Schule hingestellt bekommen. Dann würde vielleicht auch endlich mal dieses verdammte DDR -Bürgerlein in meinem Kopf die Klappe halten.
Die Privatschulmutter oder
Simon weiß nicht, dass das Geld kostet
Es ist laut in diesem französischen Café und sehr gemütlich, wir beide verstehen uns auf Anhieb gut. Die Privatschulmutter ist Journalistin, wir hatten uns auf einer Geburtstagsparty kennengelernt. Als sie hörte, worüber ich schreibe, wollte sie sich gern mit mir treffen. Weil sie, wie sie sagt, sehr gute Gründe hat, ihren Sohn auf eine teure Privatschule zu schicken. Wir bestellen Café au lait, Quiche und Salat, und dann erzählt sie.
Seit unserer Trennung vor sechs Jahren sind mein Mann und ich bessere Eltern geworden, komisch oder? Wir kriegen das inzwischen richtig gut hin mit unserem Kind. Dass Simon eine Privatschule besuchen soll, haben wir natürlich gemeinsam entschieden. Das war schließlich auch eine finanzielle Frage, 300 Euro kostet die Schule pro Monat – noch. In der fünften wird das Schulgeld erhöht, und später noch einmal in der siebenten Klasse. Dann werden wir Simon vermutlich rausnehmen müssen. Jeden Monat so viel Geld wie Miete für meine Wohnung zu zahlen, das kann ich mir irgendwann nicht mehr leisten, und das, obwohl das Schulgeld einkommensabhängig gestaffelt ist, ich
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