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Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter: Von Edel-Eltern und ihren Bestimmerkindern (German Edition)

Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter: Von Edel-Eltern und ihren Bestimmerkindern (German Edition)

Titel: Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter: Von Edel-Eltern und ihren Bestimmerkindern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Maier
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ist so eine blöde Art, über die Kinder mit den Eltern zu kommunizieren, uns ein schlechtes Gewissen zu machen.
    So funktioniert das auch mit der schulinternen Verbotsliste für die Pausensnacks. Anfangs habe ich Simon morgens eingepackt, was der Kühlschrank eben so hergibt. Aber dann haben alle Eltern eine E-Mail bekommen, in der stand, was gar nicht geht. Süßes und Ungesundes natürlich, denn wenn die Kinder in der Schule lernen, wie man sich richtig ernährt, und dann zieht so ein Simon seinen Schokoriegel aus der Tasche, ist das kontraproduktiv. Das sehe ich ein. Aber neulich hat eine Lehrerin ihm gesagt, sein Joghurt mit Himbeermousse sei nicht in Ordnung, das sei Industriefutter, und wenn er ein kluger Junge sei, würde er das überhaupt nie essen – das könne er auch mal der Mama sagen. So etwas finde ich unmöglich, weil da auf Kosten der Kinder die Eltern kritisiert werden, an die man sich aber nicht rantraut. Es stört mich vor allem, weil man durch hunderte kleine Verbote hunderte kleine Klugscheißer heranzieht, die ihre Umwelt gern darüber in Kenntnis setzen, dass Rauchen tödlich ist oder Industriewurst krank macht. Das nervt einfach.
    Das wirklich Tolle an der Privatschule sind das gute pädagogische Konzept und die Möglichkeit für Eltern wie mich, sich mit Geld freizukaufen von diesen ganzen zeitraubenden Elternengagements. Also Kuchen backen, Feste dekorieren, Martinsumzüge organisieren – das sind alles Sachen, zu denen ich gern hinkomme und die ich genieße, für deren Vorbereitung ich aber echt keine Zeit habe. Dafür gibt es hier ausreichend Vollzeitmütter, die sich freuen, etwas zu tun zu haben, und im Porsche Cayenne die Bioplätzchen für den Kuchenbasar rankarren. Diesen Frauen bin ich wirklich dankbar.
    Simon hat mittlerweile begriffen, dass er auf eine besondere Schule geht, er weiß aber nicht, dass sie Geld kostet. Anfangs hat er zu Fremden gern gesagt: »Du, ich bin auf ’ner englischen Schule!« Das hat sich aber gegeben. Inzwischen hat er sich darauf verlegt, anderer Leute Englisch zu korrigieren oder sich, etwa bei meiner sechzigjährigen Mutter, über ihre Aussprache oder Grammatik lustig zu machen. Na, da hab ich ihm aber Bescheid gegeben!
    Wir, also mein Mann und ich, erfüllen das Klischee von den typischen Privatschuleltern eher nicht. Mein Mann kommt aus einer Bauernfamilie im Emsland, wir haben beide in der Entwicklungshilfe gearbeitet, und Simon sieht, wie viele Menschen wir auf der ganzen Welt kennen, wie offen wir sind. Wir wollen vermeiden, dass er sich selbst so einen blöden elitären Touch verpasst.
    Inzwischen rede ich auch schon mal über Geld mit ihm. Seit Anfang dieses Jahres zum Beispiel liegt zu Hause ein Fluch auf meinen elektrischen Geräten: Erst ging mein Rechner kaputt, dann die Spülmaschine, schließlich der Staubsauger und die Waschmaschine. Zuerst habe ich den Rechner reparieren lassen, damit verdiene ich ja das Geld, habe ich Simon erklärt. Dann habe ich eine gebrauchte Waschmaschine gekauft – ich bin so lange Jahre meines Lebens in Waschsalons gegangen, das ertrage ich einfach nicht mehr. Nun haben wir einen Besen statt des Staubsaugers. Und die Spülmaschine? Da weiß Simon jetzt genau Bescheid. Er macht das sehr gut mit dem Abwasch.
    Es ist Mittag, alle Tische um uns herum sind von frühstückenden Hostelhorden belegt. Wir zahlen, und ich begleite sie noch bis zu ihrem Haus. Sie weist auf die Fenster ihrer Wohnung: dort oben, tolle Lage, guter Blick. Aber jetzt muss sie arbeiten, einen Artikel schreiben. Um die Miete zahlen zu können und Simons Schule.

S tille Tage im Kiez oder
    W o ist zu Hause, Mama?

    S eltsame Dinge ereignen sich im Prenzlauer Berg. Plötzlich gibt es freie Parkplätze, in den Cafés bleiben Stühle im Sonnenschein unbesetzt, und auf den Spielplätzen ist es ungewohnt still. Sogar die sonst so begehrten Schaukeln baumeln leer im Frühlingswind. Aufgrund fehlender Buggygeschwader sieht man plötzlich Menschen im Straßenbild, auf die sonst die Sicht verstellt ist: ganz normale Leute, die mit Einkaufstaschen statt Kindern an der Hand von der Arbeit kommen. Was ist passiert? Ah ja, es ostert. Die Zugereisten haben ihre Volvos und Saabs mit Kindern und Taschen bepackt und sind »nach Hause« gefahren.
    Es ist ein im Kern unemanzipierter Vorgang, die Feiertage bei den Eltern zu verbringen. Wozu ist man einst aus der Heimat fortgezogen? Doch wohl um jede Menge Dinge zu erleben, von denen die eigenen Eltern niemals

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