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Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter: Von Edel-Eltern und ihren Bestimmerkindern (German Edition)

Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter: Von Edel-Eltern und ihren Bestimmerkindern (German Edition)

Titel: Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter: Von Edel-Eltern und ihren Bestimmerkindern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Maier
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groß. Du hingegen wirst in Altersteilzeit gehen, wenn Iphigenie Abi macht. So sieht’s aus, Mutti. Also: Augen auf beim Waffelkauf!

E lterndiskriminierung! oder
    W ir Menschen ohne Kinder

    E s gibt ein Zimmerchen im Prenzlauer Berg, da haben Kinder keinen Zutritt. Ein. Zimmer. Der Raum ist klein, es gibt dort Tische, Stühle, Tageszeitungen, und draußen an der Tür klebt ein Zettel: »Für Ältern ohne Kinder«. Es ist eine Art Schutzraum für Kinderlose, ein Separee für Gäste, die hier in diesem Café einfach nur Kaffee trinken und Zeitung lesen wollen und dabei nicht von rabautzenden Kindern und deren Eltern auf Sendung umgeben sein wollen. Ein paar Quadratmeter Erwachsenenfreiheit innerhalb von elf Quadratkilometern Prenzlauer Berg. Ist doch in Ordnung, oder?
    Nichts war in Ordnung, gar nichts mehr, als das Lokalfernsehen über den Extraraum in diesem sonst gerade bei Eltern äußerst beliebten Café berichtete. Der Laden liegt familiengünstig an einer Fahrradstraße direkt zwischen drei guten Spielplätzen, wer hierherkommt, tut das besonders gern mit Kindern. Bei schönem Wetter kann man noch mal pullern gehen, Milchkaffee kaufen und danach Richtung Buddelkasten trudeln. Bei Regen hat es hier eine Spielecke, viel Platz für raumgreifende Kinderwagen, und auf dem Klo warten Wickeltisch, Windeleimer, Jungspissoir und der praktische Ikea-Hocker, damit auch Ein-Meter-Trolle an den Wasserhahn herankommen. Perfekt.
    Trotzdem ging die Post ab, nachdem die Nachricht in der Welt war, dass es im Prenzlauer Berg, dem berühmtesten Kinderparadies der Republik, jemand gewagt hatte, an eine Tür zu schreiben, dass hier ausnahmsweise mal kein Nachwuchs erwünscht ist. Die Zeitungen stürzten sich auf das Thema. Sie schrieben schäumende Texte über die kinderfeindliche Hauptstadt und der Boulevard titelte: »Einmal Kaffee ohne Kind, bitte! Unverschämt oder nachvollziehbar?«
    Weil Journalisten reflexhaft arbeiten, taten sie, was man in solch einer Situation tut: Um selber keine Meinung haben zu müssen, holten sie Statements von Politikern ein. So kam es, dass ein FDP -Abgeordneter, von dem man nie zuvor gehört hatte, forderte, das Café zu boykottieren, weil dieser kleine Erwachsenenraum familienfeindlich und zum Kotzen sei. Klar, eine Partei, die in Berlin bis zur Nichtwahrnehmbarkeit Politik macht, muss da schon mal das große Wortwahlrad drehen. Aber müssen das auch die Sozis? Deren Vertreterin fand den Vorgang unmöglich und nicht akzeptabel. Und der befragte Grünen-Abgeordnete keifte los, hier liege ein klarer Fall von Altersdiskriminierung vor und man müsse über ein Verbot dieser Kinderausgrenzung reden. Ein Zugangsverbot verbieten – unsere rebellischen Grünen!
    Was ist denn schon wirklich passiert? Zwei Caféhausbetreiber in bester Familienlage entschließen sich, einen Raum für kinderfreie oder kinderlose Gäste einzurichten. Und zwar in einer Gegend, in der Kinder jeder Altersgruppe mehr als präsent sind und – bis auf die paar Quadratmeter – freien, manche meinen auch allzu freien Zugang zu Cafés, Restaurants, Geschäften, Parks, Spielplätzen, gynäkologischen Praxen und was weiß ich noch allem haben. Diesen Raum für andere Lebensentwürfe als den familiären zu reservieren, ist das gute Recht der Inhaber. Der übergroße Rest des Lokals bleibt ja weiter fest in Muttihand.
    Bei meinem Besuch dort, draußen auf der Terrasse sitzend, werde ich von einer Babymama mit winselnder Stimme aufgefordert, doch bitte nicht zu rauchen. Es stehen Aschenbecher hier, ich sitze vier Meter von ihr entfernt hinter meiner Zeitung, es geht ein frischer Wind, die Frau könnte ihren Kinderwagen einfach umdrehen … aber nein, das geht nicht. Das darf ich nicht, hier ist geheiligte Gesundheitszone, die eine wie ich nicht mit einer Nachmittagsfluppe beflecken oder gar vergiften darf. Und was soll ich sagen? Ich tue, wie mir geheißen wird, stecke die Schachtel weg und lächele höflich – so weit ist es schon gekommen.
    Es sind Erlebnisse wie dieses, die nicht nur mich darüber nachdenken lassen, ob es hier mit der innerstädtischen Sozialbalance noch seine Richtigkeit hat.
    Das Problem erwachsener Prenzlauer Berger außerhalb des Familienkontextes ist es, dass es hier immer weniger Orte gibt, an denen man als MoK, als Mensch ohne Kinder, ungestört sein kann. Wenn gegen Abend die letzten Buddeleimer eingepackt sind, wenn ein letztes Mal das Kind mangels Klo in den Spielplatzbüschen abgehalten wurde, wenn die

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