Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter: Von Edel-Eltern und ihren Bestimmerkindern (German Edition)
laufen sie dann Halbmarathons, posten lustige Partyfotos auf Facebook und gucken mal nach, was aktuell so auf dem Beziehungsmarkt läuft.
Wie entspannt das sein kann, wie wohltuend die neue Lebensphase ohne den ganzen Beziehungsstress, lassen die alleinerziehenden Mütter aber nicht zu sehr raushängen. Manche jammern ein bisschen über den »Erzeuger«, der nicht pünktlich zahlt oder mal wieder zu spät zur Elternversammlung gekommen ist, der erstaunlicherweise plötzlich auch mehr freie Zeit hat und erst kürzlich in einem guten Restaurant mit einer seiner Mitarbeiterinnen aus der Agentur gesehen wurde. Und das, obwohl er doch vor Jahren mal versprochen hatte, sich sozial, sexuell und – vor allem – wirtschaftlich um seine Familie zu kümmern.
Du machst die Kinder, ich besorge das Geld – das ist die Beziehungsformel des verklungenen zwanzigsten Jahrhunderts kapitalistischer Prägung. Dass es Frauen gibt, die sich auf ein derart unwürdiges Agreement überhaupt eingelassen haben, ist zwar traurig, aber keineswegs selten. Denn solange alles wie geplant lief, konnten sie sich vormittags mit dem Buggy in die Lavendeltöpfchen-Cafés setzen und nachmittags nach Kita- und Schulschluss komplettfinanziert auf dem Spielplatz Latte macchiato schlürfen. Und nun? Kümmern sie sich immer noch um die Kinder, sollen sich aber plötzlich auch eine Arbeit suchen, denn ohne Job wird es schwierig, die gute Privatschule, die gesunden Biolebensmittel und den ganzen leckeren Kaffee zu finanzieren.
So sind manche. Die meisten aber Gott sei Dank nicht. Denn Kinder zu haben in sozial und finanziell gesicherten Verhältnissen ist zwar noch immer eine schöne Idee und wird im Prenzlauer Berg und den anderen Muttivierteln der Republik exzessiv zelebriert. Aber es funktioniert eben nur, wenn die Eltern sich lieben. Und wenn sie bei Nichterfüllung dieses Traums trotz Trennung interessante Menschen bleiben, die es vorziehen, abends lieber mal gestresst als gelangweilt ins Bett zu fallen.
Fines Mutter zum Beispiel hat einst nach dem Scheitern des Müller’schen Mutter-Kind-Projekts noch eine Zeit lang nach Luft geschnappt. Aber dann hat sie getan, was wichtig war: Sie hat für Fine einen anständigen Krippenplatz gesucht, ihre Diplomarbeit geschrieben, sich mit anderen Alleinerziehenden vernetzt und mit ihrer Tochter ein gutes, wenngleich nicht vollversorgtes Leben im angesagtesten Bezirk der Stadt gelebt. Herr Müller? Pah! Das ist Jahre her.
Fine will wissen, wie er so war, ihr Vater. »Na«, versuche ich Zeit zu schinden, »das ist nun auch schon sagenhafte zwanzig Jahre her.« Dafür, dass wir Erwachsenen dafür sorgen, dass Finekinder wie dieses erfolglos nach einem Zipfel Identität haschen müssen – hasse ich ihn nun doch wieder ein bisschen. Ich könnte ihr jetzt erzählen, was ich alles Mieses über ihn weiß und dass ich letztlich auch verdammt froh bin, dass er sich nie mehr in unser Leben eingemischt hat. Aber ich sage: »Er hatte bemerkenswerte blaugrüne Augen, so wie du sie hast.« Fine freut das.
S päte Väter oder
D er dritte Frühling im Prenzlauer Berg
S chön ist das nicht«, sagt Sibylle. Wir sitzen am Kollwitz-Spielplatz auf dem Mäuerchen, baumeln mit den Beinen und gucken in die Sonne. »Nein wirklich, schön ist anders. Guck doch mal, der da drüben«, sagt Sibylle nun und rammt mir ihren Ellenbogen in die Seite. Ich schiebe die Sonnenbrille runter und gucke wie befohlen. An der Schaukel verbringt gerade ein Vater mit seinem Kleinkind Qualitätszeit. Anschubsen, lachen, klatschen – yeah! Das Kind wird drei sein, der Vater mindestens Mitte fünfzig. Dass er nicht der Opa des kleinen Gesellen ist, lässt er seine Umwelt durch wiederholte »Der Papa holt, der Papa macht …«- Ausrufe wissen. Kein besonderer Anblick hier im Prenzlauer Berg, wo Männer gern noch mal in weitläufigen Altbaufluchten ihren zweiten, wenn nicht gar dritten Frühling erleben. Jedes zwanzigste Neugeborene hat heute einen Vater über fünfzig. Also, was soll’s?
Sibylle ist nicht dieser Meinung. Sie findet alte Väter angeberisch, unsexy und widernatürlich. »Guck mal, wie der aussieht«, sagt sie, für mein Empfinden eine Spur zu laut, »der hat sich diese schweineteuren Jeans gekauft. Die spannen an den Hüften, und an den Oberschenkeln sind sie viel zu weit. So sieht das dann aus, wenn alte Männer Sachen tragen, die für Zwanzigjährige gemacht wurden.« Sibylle kommt gar nicht mehr runter. Sie lästert nun ausgiebig
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