Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter: Von Edel-Eltern und ihren Bestimmerkindern (German Edition)
bisschen über absurde 40-Euro-Designermützen und das nervende Kita-Casting ab der zwölften Schwangerschaftswoche, da stelle ich fest, dass alle drei Kinder auf den Schößen ihrer Väter sitzen und ihr Breichen eingelöffelt bekommen. Essenszeit. Einfach so nebenbei, ohne Lätzchengewedel und Warmhaltetaschengefummel, ohne längeren Vortrag darüber, ob die Möhrchen auch bio sind, nehmen hier drei Herren mit ihren Kindern eine Mahlzeit ein. Und wenn sie satt sind, packen sie sie in die Kinderwagen vor der Tür des Vätercafés und gehen nach Hause. So einfach kann das sein? So einfach.
N ur für Mitglieder oder
D er sagenhafte Herr Müller
I nteressiert schaut Fine sich die Fotos an, die ich vor ihr auf dem Caféhaustisch ausgebreitet habe. »Hier sieht sie toll aus«, sagt Fine und zeigt auf ein fünf Jahre altes Passbild. »Findest du?«, antworte ich, »guck mal, das hier – da hat sie so schöne lange Haare, das fand ich damals sehr schick. Heute trägt sie sie ganz kurz.« Fine weist auf die Nase: »Die ist ja gar nicht Müller’sch. Aber die Augen schon!«, sagt sie und lacht.
Nicht dass Sie denken, ich säße gerade mit dieser bezaubernden Fünfzehnjährigen beisammen, um mit ihr die aktuelle Bravo durchzublättern und die ästhetischen Alleinstellungsmerkmale junger C- oder D-Prominenter zu diskutieren. Nein, so weit sind wir noch lange nicht, wir treffen uns ja heute zum ersten Mal und versuchen wechselseitig, einen guten bis sehr guten Eindruck zu hinterlassen. Sie bei mir und ich bei ihr. Denn auf eine seltsam vertrackte Art und Weise sind wir so etwas wie verwandt miteinander, die Fünfzehnjährige und ich.
Oder besser: Fine und meine große Tochter. Denn beide haben denselben biologischen Vater, und nun möchte Fine mich kennenlernen, um ihrem Vaterbild ein weiteres Puzzleteil hinzuzufügen. Andere Möglichkeiten hat sie leider nicht, der Mann ist seit vierzehn Jahren absent. Schlechte Karten für eine Pubertierende in der Selbstfindungsphase. Deshalb trifft sie sich nun mit mir.
Ein gut gepflegter Mythos des untergegangenen Ostens ist ja, dass die Bürger in der DDR ausgiebig das getan haben, was Fürstin Gloria zu Thurn und Taxis einmal »schnackseln« genannt hat. So unfrei das Leben, so frei und ungezügelt der Sex – so in etwa geht die Rede über die zwischenmenschlichen Beziehungen in jenem versunkenen Land. Mancher Westler denkt dann neidisch, mancher aber auch mitleidig: Die armen Ostler hatten ja sonst nix. Tatsächlich mangelte es uns an Schlagbohrmaschinen und Badezimmerfliesen, an Pelikano-Füllern und guten Tampons. Woran es uns aber nicht mangelte, war der Dialog der Geschlechter inklusive aller biografischen Folgen, die das Aufeinandertreffen von Mann und Frau nun einmal haben kann. Kinder also und alles, was damit zusammenhängt: Alimente, Umgangsstreitigkeiten, veränderte Lebenspläne, Jugendamt und so weiter und so fort. Natürlich auch immer mal wieder glückliche, gut und langfristig funktionierende Familien.
Alleinerziehend zu sein ist im Großen und Ganzen nichts Besonderes. War es auch früher nicht. In der DDR hieß die Zweierfamilienkonstellation »alleine mit Kind«. Bedeutet: Mist, hat nicht geklappt zwischen den lieben Liebenden, traurig das Ganze. Aber wenn man sich entscheiden muss zwischen täglichem Genörgel auf der einen Seite und der Möglichkeit, noch mal neu durchstarten zu können ohne das ungute Gefühl, mit dem falschen Menschen seine Jahre verbringen zu müssen, dann ist es wohl auch für die dazugehörigen Kinder besser, mit manchmal gestressten, hin und wieder auch traurigen Eltern zu leben, statt jeden Abend vom Kinderzimmer aus zuhören zu müssen, wie Mama und Papa sich gegenseitig fertigmachen.
Immer wieder entscheiden sich Paare dafür, es lieber sein zu lassen mit dem Vater-Mutter-Kind-Projekt. Statistisch sind im Prenzlauer Berg 27 Prozent aller Eltern alleinerziehend, ein Prozent von ihnen sind Männer. Man erkennt Alleinerziehende nicht auf der Straße und im Bioladen. Woran auch? Die Zeiten, da diese Lebensform eher selten und mit dem Hautgout sozialen Absteigertums behaftet war, sind lange vorbei. Alleinerziehende hungern und frieren nicht, sie haben nette kleine Wohnungen, sind sozial ausgezeichnet vernetzt und haben – wenn sie sich mit dem jeweils anderen Elternteil sinnvoll abstimmen – mehr Zeit als ihre komplettfamiliären Freunde. Weil sie nämlich jedes zweite Wochenende und die Hälfte der Ferien kinderfrei haben. Da
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