Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter: Von Edel-Eltern und ihren Bestimmerkindern (German Edition)
»Frauen«, erklärt der eine, »fühlen sich doch irgendwie ständig im Defizit.«
Ein Beispiel? Er erzählt von der Kitareise seiner fünfjährigen Tochter. Als die Kinder nach Tagen wieder heimgekehrt seien, habe er als einziger Mann mit zwanzig Müttern auf den Reisebus gewartet. Als der schließlich mit reichlich Verspätung ums Eck bog, brach ein für ihn völlig irritierender Jubel aus. Wie ein Teenie-Fanclub seien die Mütter dem Bus entgegengerannt, jauchzend die Arme gen Himmel gereckt, die Münder weit aufgerissen. Er hingegen blieb stehen, wo er war. Warum sollte er seiner zweifellos vorhandenen Freude über die Heimkunft der Tochter derart expressiv Ausdruck verleihen? Doch es war der falsche Bus, und die Mütter hatten sich zu früh gefreut. Als sie sich wieder beruhigt hatten, nahm eine der Frauen ihn zur Seite und sagte diesen irgendwie lustigen, aber auch traurigen Satz: »Du hast’s gut, du bist ein Mann und musst nicht kreischen.«
Ja, die hier im Vätercafé müssen nicht kreischen. Sie können sich einfach ganz normal unterhalten über jene Themen, die wohl sämtliche Eltern in diesem Land beschäftigen. Über die Suche nach dem allerbesten Kinderarzt im Stadtbezirk und die passende Kita, über den Schlafmangel und die beliebte Frage, ob und wogegen geimpft werden soll. Alles in allem genau die Themen, die sie mit Müttern oder auch im Pärchentalk besprechen könnten, nicht wahr? Ja schon, sagt einer, die Themen seien dieselben, es sei aber auch mal schön ohne Frauen. Einfach entspannter. Außerdem sei er hier mal nicht der Exot, der tolle Typ, der mit seinem Kind zu Hause bleibt und den die Frauen in den Straßen und auf den Spielplätzen anstaunen wie ein seltenes Tier.
Dass Männer Elternzeit nehmen, ist ja bekanntlich nichts Neues. Zwei Monate beim Neugeborenen bleiben und im Rahmen eines etwas lang geratenen, steuerfinanzierten Urlaubs leckere Aufbaukost kochen und mit der stillenden Mutter fachkundig den Windelinhalt analysieren – wunderbar. Wirklich interessant wird es aber erst, wenn diese Männer tatsächlich beim Kind bleiben, wenn die Mutter arbeiten geht und der Vater die rückwärtigen Dienste versieht. Wenn er also gleichberechtigt alles tut und lässt, was sonst meistens die Frauen leisten: Wadenwickel anlegen, verstopfte Kleinkindnasen putzen, dasselbe Buch dreitausendmal wie neu vorlesen. Trösten und schimpfen, buddeln und malen, kochen und waschen und dabei auch noch gut aussehen. Diese Väter, die das wirklich durchziehen, sind die wahren Helden.
Mein Angetrauter zum Beispiel war so einer, vielleicht sogar einer der Ersten. Er hatte vor achtzehn Jahren einfach Lust, die Sache mit den Kindern zu übernehmen und ein Jahr zu Hause zu bleiben.
Und ich hatte eben keine Lust darauf.
Während ich diesen Satz in die Tastatur hämmere, zuckt mein Finger schon Richtung Löschtaste. Kann ich das wirklich schreiben: Ich hatte keine Lust, mich um die Kinder zu kümmern? Da gehen im Land auf der Stelle die Alarmlampen an, es wird unruhig im Publikum, und die ersten Leser klappen das Buch zu. Denn Frauen, die Kinder kriegen, sollten darüber unbedingt ganz, ganz glücklich sein – und wenn sie sich dessen nicht sicher sind, sollten sie das Projekt Baby doch einfach lassen und es den besseren, den guten und beseelten Müttern überlassen. Die machen das gern: kaum schlafen, wenig Sex haben, im organisatorischen Chaos versinken und eigentlich nicht so recht wissen, was so ein Dreimonatskind gerade mit seinen spitzen Schreien ausdrücken will.
Ich jedenfalls war eine von der anderen Sorte. Ich wollte immer Kinder haben und habe es auch keine Minute bereut, als ich mit unserem ersten Mädchen ein paar Jahre lang allein klarkommen musste. Kinder sind etwas Wunderbares, tatsächlich. Aber sie bringen die zuständigen Erziehungsberechtigten auch an die Grenzen der Belastbarkeit. Glück sieht nun mal irgendwie anders aus, als morgens um drei in der runtergekühlten Wohnung ein Schreikind hin und her zu tragen, nicht wahr?
Um so angenehmer ist es, mit diesen unprätentiösen Männern im Väterladen zu sprechen, die das Kinderhaben als schöne, aber nun auch nicht unbedingt weltstürzende Angelegenheit ansehen. Die sie selbst bleiben, es nicht peinlich finden, über Fußball zu reden, und auch nicht den Wunsch verspüren, bei ihrem Alltag mit der zehn Monate alten Rica beobachtet und bewundert zu werden. Sie wollen sich nicht ständig mit Frauen darüber unterhalten, warum deren Mann zu
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