Lassiter und die Agentin des Trusts
Mannes sagte ihm genug. Er las darin nicht den Anflug von Angst. Höchstens Neugier. Stumm und bewegungslos verharrend schien er seine Chancen abzuwägen und seinen Instinkt zu befragen.
Dann sah Lassiter ihm an, dass er zu spüren begann, dass der große Mann, der ihm gegenübergetreten war, die gleiche Gefahr ausstrahlte wie er selbst.
Über das Gesicht des großen Mannes huschte für einen Moment ein schmales Lächeln, das er nicht hatte kontrollieren können.
»Lassiter«, sagte er. »Sicher hast du mir deinen Namen genannt, damit ich weiß, wer mich zur Hölle schickt, Quaid. Jetzt kennst du meinen und fährst nicht unwissend zur Hölle, wenn du vorhast, mich aus dem Weg zu räumen.«
»Es ist nicht meine Absicht, Leute zur Hölle zu schicken. Du könntest dein Pferd nehmen und davonreiten.«
Lassiter starrte den kleinen Mann an und Quaid starrte zurück.
Es war wie ein Wittern. Mit ihrem Instinkt versuchten sie in ihren Gegner einzudringen und lauschten dabei auf die winzigsten Zeichen. Gab es Warnsignale?
Jeder wirklich bedeutende Revolvermann verspürte beim Anblick eines Gegners, ob dieser ihm ebenbürtig oder gar überlegen sein könnte.
Lassiters Instinkt war ganz ruhig, was den Ausgang eines Revolverkampfes zwischen ihm und Quaid betraf. Nein, er spürte kein Alarmzeichen, nicht einmal die Warnung, besonders vorsichtig sein zu müssen.
Aber da war etwas anderes, das in seinem Nacken ein seltsames Kribbeln auslöste. Er sah das erwartungsvolle Lauern in den stechenden hellen Augen Quaids, und der Anflug von Gefahr traf ihn mit der Wucht eines Huftritts.
Nur einen Lidschlag lang glitt sein Blick an Quaid vorbei den Lauf des Creeks entlang, und als ihm die kaum wahrnehmbare Bewegung in der Krone eines knapp fünfzig Yards entfernten Baumes ins Auge stach, reagierte er auch schon.
Quaids Rechte zuckte hinab zu dem beinernen Griff seines Colts, hatte ihn aber erst halb aus dem Holster, als die Kugel aus Lassiters Remington in seinen Leib drang und ihn heftig zusammenzucken ließ.
Der peitschende Knall eines Gewehrs hatte sich mit dem Krachen von Lassiters Remington vermischt. Der große Mann vermeinte, einen Gluthauch an seinem linken Ohr vorbeifauchen zu spüren, während er den blitzartigen Schritt zur Seite ausführte.
Dann krachte ein zweiter Gewehrschuss. Diesmal verspürte Lassiter nichts von einer Kugel. Er sah, dass Quaid sich herumwarf. Einen Moment sah es so aus, als wollte er auf seinen Grauen zulaufen, doch dann rannte er durch den flachen Creek. Die Mündung des Remington war auf den Rücken des Hageren gerichtet, dessen Haarschopf mit dem bunten Tuch hinter seinem Kopf flatterte. Doch der große Mann brachte es nicht fertig, dem Mann in den Rücken schießen, obwohl der bereit gewesen war, ihn von einem Kumpan aus dem Hinterhalt abknallen zu lassen.
In dem Moment, als Quaid im Unterholz auf der anderen Seite des Creeks abtauchte, vernahm Lassiter das Bersten von Holz. Sein Blick glitt den Creek hinauf zu dem Baum, von dem der Schuss auf ihn abgefeuert worden war. Er sah eine Gestalt in buntem Lederzeug und langen schwarzen Haaren herabstürzen, wobei sie immer wieder von anderen Ästen aufgehalten wurde. An den schlenkernden Arm- und Beinbewegungen erkannte der große Mann, dass kein Leben mehr in ihr sein konnte. Gleichzeitig hallten Stimmen durch den Wald. Drei Schüsse peitschten. Dann wurde es wieder still.
Ein Pferd tauchte auf, und Lassiter sah das Blau des Uniformrocks des Reiters.
»Lassiter?«, rief eine befehlsgewohnte Stimme.
Er trat ans Ufer des Creeks und blickte dem jungen Lieutenant entgegen, auf dessen Gesicht sich Erleichterung spiegelte, als er den großen Mann unverwundet vor sich sah. Er rief etwas über die Schulter zurück, bevor er zum Creek kam und neben Lassiter aus dem Sattel rutschte.
»Zum Glück hat einer meiner Männer aufgepasst«, sagte er zufrieden. »Ihm ist der Indianer nicht entgangen, der sich an uns vorbei geschlichen hat.«
»Indianer?«, fragte Lassiter.
»Wir haben ihn, Sir! Er ist tot! Mallory hat ihm den halben Schädel weggeblasen!«
Die Stimme kam von dem Baum, auf dem der Heckenschütze gelauert hatte, der Quaids Lebensversicherung hatte sein sollen. Jetzt sah Lassiter dort zwei Soldaten auftauchen, die sich nach der Leiche des Indianers bückten. Dann erhoben sie sich wieder und blickten zu ihrem Lieutenant herüber.
»Was sollen wir mit ihm tun, Sir?«, rief einer der Männer.
»Habt ihr sein Pferd?«
»Mallory sucht noch
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