Lasst die Spiele beginnen: Roman (German Edition)
er pfeifen. Sie wären mit derselben Begeisterung angerückt, wenn der Chef von TG2 seine Memoiren vorgestellt hätte oder irgendein albernes TV-Sternchen seine amourösen Enthüllungen. Ihnen ging es nur um ihre kleine Unterhaltung mit dem Star, um ihr Autogramm, um ihren persönlichen Kontakt mit dem Idol. Am liebsten hätten sie irgendwas von ihm abgerissen, einen Kleiderfetzen, ein Büschel Haare oder einen Zahn, um die Beute dann wie eine Reliquie nach Hause zu tragen.
Er schaffte es nicht mehr, freundlich zu sein. Wie ein Blöder zu lächeln. Möglichst bescheiden und entgegenkommend aufzutreten. Normalerweise gelang es ihm ohne Weiteres zu verbergen, dass der Kontakt mit wildfremden Menschen ihm körperliches Unbehagen bereitete. Er war ein Meister der Verstellung. Wenn der Moment gekommen war, warf er sich in das Schlammbad, überzeugt davon, dass es ihm gefallen würde. Aus diesen Bädern in der Menge ging er aufgewühlt, doch gereinigt hervor.
An diesem Abend jedoch verdarb ihm ein furchtbarer Verdacht den Erfolg. Vielleicht hatte er sich nicht richtig verhalten, nicht wie ein echter Schriftsteller. Ein ernsthafter Schriftsteller wie Sarwar Sawhney. Bei der Präsentation hatte der Alte kein Wort gesagt. Mit diesen weisen, pechschwarzen Augen hatte er einfach nur dagesessen wie ein tibetischer Asket, während er selbst mit seinem dummen Zeug über Feuer und Kultur den Hanswurst gab. Und wieder einmal stellte er sich, wie schon so oft, die alles entscheidende Frage. Wie viel von meinem Erfolg verdanke ich den Büchern und wie viel dem Fernsehen?
Wie jedes Mal verzichtete er auf eine Antwort und beschloss, sich lieber ein paar Scotch zu genehmigen. Aber zuerst musste er diesen Fliegenschwarm loswerden. Als er sah, dass die arme Maria Letizia sich zu ihm durchboxte, war er deshalb hocherfreut. »Sawhney will dich sprechen … Könntest du zu ihm kommen, wenn du hier fertig bist?«
»Sofort! Ich komme sofort!«, antwortete er. Und als hätte ihn Gottvater persönlich gerufen, stand er auf und sagte zu allen Fans, die noch keine Teilnahmebescheinigung bekommen hatten: »Sawhney will mit mir sprechen, lasst mich bitte gehen.«
Am Tisch mit den Drinks kippte er zwei Whisky hintereinander und fühlte sich gleich besser. Jetzt, mit dem Alkohol im Körper, konnte er dem Nobelpreisträger gegenübertreten.
Leo Malagò kam näher, selig wie ein Hund, der ein Crostino mit Wildschwein bekommen hat. »Großartig! Mit dieser Geschichte vom Feuer hast du sie alle geplättet. Ich frage mich immer, wie du auf solche Ideen kommst. Aber jetzt, Fabrizio, betrink dich bitte nicht. Wir müssen noch zum Abendessen.« Er hakte ihn unter. »Ich habe auf dem Büchertisch nachgeschaut. Weißt du, wie viele du heute Abend verkauft hast?«
»Wie viele?« Er musste einfach fragen. Es war ein konditionierter Reflex.
»Zweiundneunzig! Und weißt du, wie viele Sawhney verkauft hat? Neun! Du glaubst nicht, wie wütend Angiò ist.« Massimo Angiò war der Lektor für die ausländische Belletristik bei Martinelli. »Ich finde es herrlich, ihn so aufgebracht zu sehen! Und morgen sind wir in allen Zeitungen. Apropos, die Übersetzerin ist vielleicht eine scharfe Nummer.« Malagòs Gesicht entspannte sich. Sein Blick wurde plötzlich sanft. »Wie es wohl wäre, sie zu vögeln …?«
Fabrizio hingegen hatte jedes Interesse an der Frau verloren. Seine Stimmung fiel rapide wie ein Thermometer bei einem unerwarteten Kälteeinbruch. Was wollte der Inder von ihm? Ihm Vorwürfe machen wegen des dummen Zeugs, das er losgelassen hatte? Er nahm all seinen Mut zusammen. »Entschuldige mich einen Augenblick.«
Er fand Sawhney in einer Ecke. Er saß am Fenster und sah zu, wie die Wipfel der Bäume den gelblichen Himmel von Rom zerkratzten. Seine schwarzen Haare glänzten im Licht der Kronleuchter.
Vorsichtig ging Fabio auf ihn zu. »Entschuldigen Sie …«
Der alte Inder wandte sich um, sah ihn und lächelte ihn an, wobei er ein Gebiss zeigte, das zu perfekt war, um echt zu sein. »Bitte, nehmen Sie doch Platz.«
Fabrizio fühlte sich wie ein Kind, das zum Rektor gerufen wird, um sich eine Standpauke abzuholen.
»Wie geht es Ihnen?«, fragte Fabrizio in seinem Schulenglisch und setzte sich ihm gegenüber.
»Danke, gut.« Doch dann überlegte er es sich anders. »In Wahrheit bin ich ein bisschen müde. Ich kann nicht einschlafen. Ich leide unter Schlaflosigkeit.«
»Ich zum Glück nicht.« Fabrizio wurde klar, dass er dem Inder nichts zu sagen
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