Lasst die Spiele beginnen: Roman (German Edition)
die Provinzstraße.
8 Der alte indische Schriftsteller saß in einer Ecke des Saals mit einem Glas Wasser in der Hand.
Am Morgen war er mit dem Flugzeug aus Los Angeles gekommen, nach zwei aufreibenden Wochen, die er auf einer Rundreise durch Amerika verbracht hatte, um sein Buch vorzustellen, und nun wollte er nur noch ins Hotel und sich aufs Bett legen. Er würde versuchen zu schlafen, es würde ihm nicht gelingen, und am Ende würde er ein Schlafmittel nehmen. Schon seit geraumer Zeit fand sein Körper keinen natürlichen Schlaf mehr. Er dachte an seine Frau Margaret in London. Er hätte sie gern angerufen. Ihr gesagt, dass sie ihm fehle. Dass er bald wieder da sein werde. Er sah auf die andere Seite das Saals.
Dort wurde der Schriftsteller, der über das Feuer gesprochen hatte, von einer Traube von Lesern umringt, die ihr Exemplar seines Buchs von ihm signiert haben wollten. Und für jeden hatte der junge Mann ein Wort, eine Geste, ein Lächeln.
Er beneidete ihn um seine Jugend, seine unbefangene Art, gefallen zu wollen.
Ihm war all das unwichtig geworden. Was war ihm wichtig? Zu schlafen. Sechs Stunden durchzuschlafen, ohne zu träumen. Auch die Weltreise, zu der sie ihn nach dem Nobelpreis genötigt hatten, hatte für ihn keinerlei Sinn. Er war eine Marionette, die man von einer Seite des Globus auf die andere warf, um sie dem Publikum vorzuführen, der Obhut von Leuten anvertraut, die er nicht kannte und die er vergessen würde, sobald er abgereist war. Das Buch, das hatte er geschrieben. Es hatte ihn zehn Jahre seines Lebens gekostet. War das nicht ausreichend? Genügte das nicht?
Bei der Präsentation war er über Danksagungen nicht hinausgekommen. Anders als der italienische Schriftsteller. Dessen Buch hatte er im Flugzeug gelesen. Ein kleiner, flüssig geschriebener Roman. Er hatte ihn aus Gewissenhaftigkeit gelesen, weil er es nicht mochte, von einem Schriftsteller vorgestellt zu werden, dessen Werk er nicht kannte. Und es hatte ihm gefallen. Das hätte er ihm gern gesagt. Und es war auch unhöflich, sich so abzusondern.
Sobald der Alte sich von seinem Stuhl erhob, stürzten sich drei Journalisten, die ihm aufgelauert hatten, auf ihn. Sawhney erklärte, dass er müde sei. Morgen werde er gern ihre Fragen beantworten. Doch er sagte es sehr leise, so sanft, dass es ihm nicht gelang, die lästigen Schmeißfliegen loszuwerden. Zum Glück kam eine Mitarbeiterin des Verlags und verjagte sie.
»Was steht jetzt noch auf dem Programm?«, fragte er die Frau.
»Erst dieser Cocktail. Dann, ungefähr in einem Stündchen, gehen wir zum Essen in ein typisches Restaurant in Trastevere, das für seine römischen Spezialitäten bekannt ist. Mögen Sie Pasta alla carbonara?«
Sawhney legte ihr eine Hand auf den Arm. »Ich würde gern mit diesem Schriftsteller sprechen …« Oh Gott, wie hieß der noch gleich? Sein Kopf funktionierte nicht mehr.
Die Frau kam ihm zu Hilfe. »Ciba! Fabrizio Ciba. Aber natürlich. Warten Sie hier, ich hole ihn sofort.« Und sie warf sich mit klackenden Absätzen in das Menschengewühl.
»Wisst ihr, eigentlich solltet ihr nicht mich um eine Widmung bitten, sondern Sawhney. Er hat schließlich den Nobelpreis gewonnen, nicht ich.« Fabrizio Ciba versuchte, das Meer von Büchern einzudämmen, in dem er zu ertrinken drohte. Vom vielen Signieren tat ihm schon das Handgelenk weh. »Wie heißen Sie? Antonia Paternò? Wie? Warten Sie einen Moment … Und Ihnen hat Erri gefallen, der Vater von Penelope? Er erinnert Sie an Ihren Großvater? Mich auch.«
Eine verschwitzte dicke Frau kämpfte sich mit Ellbogen durch und legte ein Exemplar der Löwengrube vor ihn hin. »Ich bin extra wegen Ihnen aus Frosinone gekommen. Ihre Bücher habe ich nicht gelesen. Doch man sagt, sie sind großartig. Das hier habe ich am Bahnhof gekauft. Ich finde Sie einfach toll … und schön. Ich sehe Sie mir immer im Fernsehen an. Meine Tochter ist ganz verknallt in Sie … Und ich auch … ein bisschen jedenfalls.«
Auf Cibas Gesicht war ein freundliches Lächeln festgezurrt. »Nun, vielleicht sollten Sie mal die Bücher lesen, es könnte ja sein, dass sie Ihnen gar nicht gefallen.«
»Machen Sie Witze?«
Das nächste Buch, die nächste Unterschrift. »Wie heißen Sie?«
»Aldo. Schreiben Sie: Für Massimiliano und Mariapia, meine Kinder, sie sind sechs und acht Jahre alt, sie lesen es dann, wenn sie größer sind …«
Er verabscheute sie. Eine Masse Ignoranten. Eine Herde Schafe. Auf ihre Meinung konnte
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