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- Lasst die Toten ruhen

- Lasst die Toten ruhen

Titel: - Lasst die Toten ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Kotowski
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sondern die Torheit eures Sohnes; nicht jenes, sondern diese allein hat den Tod des frommen Mädchens veranlasst. Doch ich wollte euch deshalb keine Vorwürfe machen, da, wie mir eine dunkle Ahnung sagt, noch ein harter Schlag euch treffen dürfte!« Das gräfliche Ehepaar wurde durch diese orakelhafte Äußerung sehr bestürzt gemacht, aber der Domherr bat sie, ruhig zu sein und das Unabänderliche mit Ergebung hinzunehmen, da oft auch ein großes Unglück zur Verhinderung eines noch größeren geschehen muss. Leidiger Trost, der wohl die zagenden Herzen der besorgten Eltern nicht beruhigen konnte.
    Der Domherr hatte Leodogars Eltern seine Zweifel an der menschlichen Natur der Fremden nicht mitgeteilt, denn er wollte ihre Furcht dafür nicht auf das Ungewisse erregen. Aber er selbst schloss sich ein und brachte einen Tag lang unter seinen mitgebrachten Handschriften zu. Nachdem er, wie es schien, mit großer Anstrengung gearbeitet hatte, kam er des Abends zu den Eltern Leodogars und fragte nach diesem und der Fremden. Beide hatten eine Spazierfahrt gemacht und waren noch nicht zurückgekommen, obgleich es schon spät war. Die Eltern äußerten eben die Besorgnis, dass ihnen ein Unfall zugestoßen sein mochte, da stürzt plötzlich Emilie mit zerstreutem Haar und wildem Blicken ins Zimmer und schrie: »Rettet euren Leodogar, das Gespenst ermordet ihn!« »Gott«, rief der Graf, »er ist abwesend, wo soll ich ihn suchen?« »Nein«, entgegnete Emilie, »er ist hier im Schlosse. O, eilt doch, schon zerrt das Ungeheuer an seinem Lebensfaden und bald hat es ihn zerrissen.« Sie ergriff einen Leuchter und die Hand des Domherrn und wollte hinaus. Der Prälat beschwichtigte ihre Hast, indem er sagte: »Ist das, was du berichtest, wahr: Wie willst du schwaches Geschöpf den Kampf mit einem Boten der Mächte des Abgrundes bestehen?« Er ging in sein Gemach und kehrte gleich darauf mit einer brennenden Fackel zurück und folgte, von dem Grafen begleitet, dem vorangehenden Mädchen. Sie kamen an des jungen Grafen Schlafzimmer und der Domherr trat, die Fackel emporhaltend, zuerst hinein. Leodogar lag entkleidet auf seinem Bett und über ihn hingebeugt, den Kopf auf seine Brust gelegt, eine in Leichentüchern gehüllte Menschengestalt. Der Domherr trat zum Bett und berührte die Gestalt mit einem Ringe. Diese richtete sich stöhnend auf und blickte mit glanzlosen Augen den Domherrn an. Die Gestalt war höchst grauenhaft anzusehen, alle Züge des farblosen Gesichts waren starr und ohne Leben, die Augen stier und ohne Glanz, der lippenlose Mund war blutig und auch das Leichengewand mit einigen Blutstropfen befleckt. »Wer bist du Ungeheuer, der du in die friedlichen Wohnungen der Menschen mordend einbrichst und dich von ihrem Herzenblut nährest?«, fragte der Domherr.
    »Du Mächtiger weißt es«, antwortete das schreckliche Wesen mit heiserer Stimme.
    »Wer gab dir die Macht, dich verderblich diesem Manne zu nahen?«
    »Der Fluch meines Ahnherrn über diese Familie ausgesprochen und die Sünde.«
    »So hast du auch die anderen Zweige dieses Hauses getötet?«
    »Ich hab’s.«
    »Wo ist die Stätte, an der dein verfluchter Leib bestattet ist?«
    Die Gestalt wollte nicht antworten, da rief der Prälat mit erhobener Stimme: »Soll ich das Wort über dich aussprechen, welches die Geister bändigt? Noch einmal, wo ist die Gruft, die deine Hülle birgt?«
    Tief aufseufzend antwortete das gespenstische Wesen: »In der Kirche zu Palmensee.« Nun entwich das Ungetüm auf ein Gebot des Domherrn, welcher darauf zu Leodogar trat und den in einer tiefen Ohnmacht Liegenden zu ermuntern suchte. Es gelang nur mit vieler Mühe, und als er endlich die Augen öffnete, da fühlte er eine gänzliche Erschöpfung. Man fand eine Wunde auf seiner Brust, welche ihm von der unheimlichen Braut, nachdem sie ihn eingeschläfert hatte, gemacht worden war und wodurch sie ihm das Blut ausgesogen hatte. Ärzte wurden in der größten Eile herbeigeholt, um den jungen Grafen herzustellen und seinen tödlich erschreckten Eltern beizustehen; doch nur auf wenige Stunden noch konnten sie das fliehende Leben des jungen Mannes zurückhalten, an dessen Leiche schon des folgenden Tages die trostlosen Eltern weinten.
    Der Domherr besorgte die Bestattung seines Neffen und suchte, das unglückliche Ehepaar über den Verlust das letzten, ach! so teuren Sohnes zu beruhigen. Sein Bemühen hatte geringen Erfolg. Besser wie ihm gelang dies Emilie, deren Wahnsinn bis auf die

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