- Lasst die Toten ruhen
hei; im hekim baschi – warum nicht gar; ich bin Oberarzt!«
Er sagte das in einem Tone, der gar nicht stolzer und selbstbewusster sein konnte, deutete auf den Arnauten und fügte mit wichtiger Miene hinzu:
»Onu-da schische komarim – ich werde ihn auch noch schröpfen!«
Ehe ich ihm sagen konnte, dass diese Mitteilung meine Hochachtung sogleich verzehnfacht habe, gab der Arnaut ihm einen kräftigen Tritt mit dem Fuß und rief:
»Hund, wen hast du zu bedienen? Mich oder diesen dort? Meinst du, dass ich hier so lange liegen kann, wie es dir gefällt! Ich werde dir zeigen, dass du einen Beamten des Padischah vor dir hast!«
Der »Oberarzt« kauerte sich schnell wieder nieder, ergriff das eingeseifte Haupt und fuhr in seiner unterbrochenen Beschäftigung fort.
Ich hatte eigentlich gleich wieder umkehren wollen; aber das Wort »schröpfen« bewog mich zum Bleiben. Ich wollte doch sehen, in welcher Weise dieser berühmte Heilkünstler die Operation vornehmen würde. Wir hockten uns also nieder, so eng wie möglich, um ja nicht mit den andern in Berührung zu kommen.
Als der Wirt hereintrat und nach unseren Befehlen fragte, ließ ich einen Schluck Raki bringen als das Einzige, zu welchem man sich entschließen konnte.
Der Barbier war fertig geworden und rieb den glänzenden Schädel mit seinem Kaftan ab, bespuckte aber natürlich erst die Stelle des Gewandes, welche er zum Abreiben benutzte. Dann entblößte der Arnaut seinen Oberkörper. Eine Ehre für uns war es jedenfalls, dass er sich zu der entschuldigenden Erklärung herbeiließ:
»Gidschischim war – ich habe Hautjucken.«
Einige tüchtige Peitschenhiebe wären da wohl nützlicher gewesen als das Schröpfen!
Der »Oberarzt« holte einen Sack aus dem Winkel herbei und zog einige Gegenstände hervor, welche ich für alte, hohle Uhrgewichte hielt. Sie konnten je vier Zehntelliter Inhalt fassen. Dazu kam noch ein Instrument, welches einer unbrauchbaren Lichtputzschere so ähnlich sah wie ein Ei dem andern. Nun wurde Raki angebrannt, und der Doktor hielt eins der Uhrgewichte über die Flamme. Als die Luft durch die Wärme verdünnt worden war, musste der Arnaut sich auf den Bauch legen, und der Barbier versuchte, ihm den riesigen Schröpfkopf auf den Rücken zu setzen.
Der Rand des Gefäßes war heiß geworden; der Arnaut fühlte den Schmerz und langte dem Oberarzt eine so kräftige Ohrfeige hinauf, dass der Getroffene sich, so lang er war, neben den milden Spender hinlegte.
»Was fällt dir ein?«, zürnte der Patient. »Du sollst mich schröpfen, nicht aber verbrennen!«
»Kann ich dafür?«, lautete die Entschuldigung. »Das Instrument muss ja heiß sein, sonst zieht es nicht.«
Er nahm sich aber nun mehr in Acht, und es gelang ihm, zwei der Schröpfköpfe zum Haften zu bringen. Er warf mir einen triumphierenden Blick zu, wurde aber aus seiner Verzückung durch den zornigen Ausruf des Arnauten gerissen:
»Mensch, willst du mich umbringen! Wer soll denn solche Schmerzen aushalten?«
»Habe nur einen Augenblick Geduld! Juckt es dich im Rücken noch?«
»Nein. Es brennt und sticht und beißt!«
»Siehst du, dass ich dir Hilfe bringe! Das Jucken ist bereits vorüber. Jetzt kommt der Wetzstahl daran.«
Er zog aus dem Sack ein langes Eisen und begann das Instrument, welches ich für eine Lichtschere hielt, zu wetzen. Er tat dies mit einer so unternehmenden Miene, als ob es gelte, einem Nilpferd den Genickfang zu geben. Er prüfte die Schärfe des Instrumentes an einem Balken der Wand und kniete dann neben dem Patienten nieder.
Die Schröpfköpfe waren unterdessen erkaltet und also abgefallen, zwei rote, geschwollene Stellen zurücklassend.
Der Heilkünstler setzte an und zählte:
»Bir – icki – ätsch – eins – zwei – drei! Allah ’l Allah! Was tust du? Ist das der Dank dafür, dass ich dir die Gesundheit wiederschenke?«
Nämlich in demselben Augenblick, in welchem der Arnaut den Stich erhielt, bekam der Arzt eine zweite Ohrfeige. Der Operierte war aufgesprungen und fasste den Wundermann beim Kragen.
»Hund, du hast mich halb erstochen!«, brüllte er. »Wie kannst du das Blut eines Dieners des Großherrn so unmäßig vergießen! Soll ich dich aufspießen oder soll ich dich erwürgen?«
Auch ich stand auf, aber nicht etwa dieses Vorkommnisses wegen, welches mich gar nichts anging, sondern aus einem anderen Grunde. Nämlich der Mann, welcher sich an den Zehen herumgeschnitzt hatte, war mit dieser Beschäftigung fertig geworden und
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