- Lasst die Toten ruhen
wir in einem Mehlsack gesteckt hätten. Wir hatten noch nicht Zeit gefunden, uns zu reinigen. Wollten wir uns die Kleider nicht verderben, so mussten wir damit warten bis zum Morgen.
Nach einiger Zeit hörte ich Hufschlag vor uns. Wir holten einen einsamen Reiter ein, welcher uns höflich grüßte. Er erkundigte sich:
»Kommt ihr auch von Menlik?«
Diese Frage ward bejaht.
»Ich will nach Lebnitza. Wohin reitet ihr?«
»Auch dorthin«, antwortete ich.
»Das ist gut. Der Fährmann würde mich nicht übersetzen. Eines einzelnen Mannes wegen, tut er dies so spät nicht mehr. Da ihr aber auch hinübermüsst, so wird er sich bereitfinden lassen, weil er mehr verdient. Darf ich mich zu euch halten?«
»Ja, wenn es dir gefällt.«
Eigentlich war mir sein Antrag nicht sehr willkommen; da er uns aber als Führer diente, so schlug ich ihm seinen Wunsch nicht ab. Ich hätte ja von der Fähre gar nichts gewusst.
Gesprochen wurde jetzt nichts mehr. Der Mann ritt seitwärts hinter mir und Halef her und beobachtete uns. Er musste trotz der Dunkelheit unsere Gewehre bemerken, ebenso auch den hellen Schmutzüberzug, und er mochte wohl nicht wissen, für wen er uns zu halten habe. Da wir ihn nicht ansprachen, so schwieg er auch.
Am Flusse angelangt, bog er nach der Fähre ein, welche wir ohne ihn nicht so bald gefunden hätten. Drüben trennten wir uns nach kurzem Gruß.
Ich beabsichtigte keineswegs, in Lebnitza zu bleiben. Den Weg nach diesem Orte hatte ich eingeschlagen, um unsere Gegner irrezuführen und Petridasch zu vermeiden. Vom letzteren Ort führt der Weg immer an der Strumnitza entlang nach Ostromdscha. Dort lag die Ruine, in welcher Manach el Barscha warten wollte. Ich beabsichtigte, diesen Weg noch in der Nacht zu erreichen. Deshalb ritten wir gleich weiter, nach Derbend zu, welches von Lebnitza südwestlich liegt.
Bald aber bemerkte ich, dass Rih nicht wohl auf dem Beine war. Sollte der Nadelstich von üblen Folgen sein? Wenn das edle Tier erkrankte, war ich gebunden. Ich musste es schonen und ihm Umschläge machen. Darum war es mir lieb, als ich nach einiger Zeit seitwärts vom Wege einen hellen Feuerschein bemerkte. Wir hielten auf denselben zu.
Mitten im freien Feld stand eine lange, niedrige Holzhütte, in welcher ich alsbald ein Sahan erkannte. Diese Sahana sind Gebäude, in denen man, oft in bedeutender Anzahl, Rinder schlachtet, um das Fett derselben auszukochen. Der Osmane liebt das Rindfleisch nicht. Er hat bis vor kurzer Zeit nicht verstanden, den Wert der Rinderherden auszubeuten. Man sott in diesen Sahana das Fett, um es nach den größeren Städten zu verführen. Oft wurden da nur die Lendenstücke in Riemen ausgeschnitten und dann getrocknet als Nahrungsmittel verkauft.
Also vor einer dieser Hütten hielten wir jetzt an. Die größere Hälfte derselben diente als Schlacht- und Siederaum; die kleinere schien die Wohnung zu sein. Die erste Abteilung hatte mehrere breite Türen, welche offen standen. Da brannten etliche Feuer, über denen riesige Kessel hingen. Dabei saßen die Fleischer – wilde, schmutzige, fetttriefende Gesellen. Die Feuer leuchteten weit hinaus in das Feld und ließen alle Gegenstände in grotesker Gestalt erscheinen. Die Männer hörten uns kommen und traten unter die Türen. Wir grüßten, und ich fragte, ob wir hier einen Platz finden könnten, um auszuruhen. Der eine von ihnen kam nahe zu mir heran, betrachtete mich und sagte lachend:
»Ein Mehlwurm, der aus dem Mehlkasten kommt! Ist kein Rotkehlchen da, welches ihn fressen kann?«
Die anderen stimmten in sein Gelächter ein und kamen auch herbei. Das war ein allerliebster Empfang! Ich wollte eine scharfe Antwort geben, doch kam mir Halef zuvor:
»Was sagst du, Fettammer? Lecke dir den Talg aus dem Gesicht und reibe dir dafür lieber den Verstand mit Unschlitt [72] ein, ehe du dich über andere lustig machst! Deine Schönheit wird nicht größer durch das Lachen, denn dabei zeigst du die Zähne eines Krokodils und die Schnauze einer Bulldogge, die Meerrettich gefressen hat! Hast du vielleicht einen Sohn?«
Das kam so schnell und unerwartet, das klang so kräftig und selbstbewusst, dass der Mann in die Falle ging.
»Ja«, antwortete er, ganz verblüfft.
»Nun, so ist das arme Kind der Nachkomme eines Menschen, der kein Gehirn im Kopf hat, weil er zu dem Volk der Affen gehört. Ich bemitleide ihn!«
Jetzt erst kam der Fleischer zum Bewusstsein dessen, was ihm gesagt wurde. Er langte nach dem wollenen Fetzen, den er
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