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- Lasst die Toten ruhen

- Lasst die Toten ruhen

Titel: - Lasst die Toten ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Kotowski
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Schwanzes zuckte. Die Augen stier auf mich gerichtet haltend, stand er mit weit gespreizten Beinen wie eine aus Eisen gegossene Figur.
    »Die Beile her! Die Beile und Stricke!«, schrie einer. »Er wird gleich losbrechen!«
    »Bleibt ruhig!«, antwortete ich. »Er wird nicht los-, sondern zusammenbrechen.«
    Das geschah auch. Ganz plötzlich, wie erst in diesem Augenblick von der Kugel getroffen, stürzte das mächtige Tier zu Boden und bewegte sich nicht mehr.
    So ging es auch mit den andern. Es war keine ehrenvolle Arbeit, diese Tiere zu erschießen; aber ich hatte doch die Genugtuung, dass sie ohne Qual endeten.
    Es wunderte mich, dass wir nicht nach dem Woher und Wohin gefragt wurden. Vielleicht war es infolge des Umstandes, dass ich die Koptscha des Anführers trug. Man getraute sich nicht, eine Frage zu tun. Bevor wir aufbrachen, versahen wir uns mit einem Vorrat von Postrama, das heißt gedörrte Streifen von Büffellende. Dieses Fleisch hält sich sehr lange und ist außerordentlich schmack- und nahrhaft. Als ich nach unserer Schuldigkeit fragte, wurde ich gebeten, ja nicht an Bezahlung zu denken. Es ward nichts angenommen, und wir schieden sehr befriedigt von diesen Leuten, obgleich unser Empfang ein keineswegs friedlicher gewesen war.
    In Zeit von einer Stunde hatten wir Derbend erreicht, und zu Mittag befanden wir uns in Jenikoi, am linken Ufer der Strumnitza. Hier hielten wir eine kurze Rast und ritten dann weiter auf Tekirlik zu.
    Die Pferde waren müde – kein Wunder, da sie ja von Adrianopel an keine wirklich ausgiebige Ruhe gehabt hatten. So ritten wir langsam und gemächlich dahin, links den Fluss und rechts die Höhen, welche zur Hochebene des Plaschkawitza-Planina aufsteigen. Während dieses Rittes ließ Halef den Kopf hängen. Er zeigte üble Laune, was bei ihm eine große Seltenheit war und mir also umso eher auffiel. Ich fragte ihn, und er teilte mir mit, dass ihm die Brust schmerze.
    Das konnte seinen Grund in unserem gestrigen Erlebnis haben. Vielleicht war er, als er in die Kammer stürzte, auf etwas gefallen. Freilich konnte er sich nicht besinnen; aber ich war um den lieben Kerl besorgt und beschloss, den heutigen Ritt abzukürzen.
    In Tekirlik angekommen, fragte ich nach dem Han [74] . Es wurde mir eine Hütte gezeigt, deren Äußeres nicht eben einladend war. Wir stiegen trotzdem ab, ließen die Pferde unter Omars Aufsicht und traten ein. Da bot sich uns ein Anblick, der nicht sehr appetitlich war.
    In dem kleinen, schwarz geräucherten Raum saßen mehrere Männer. Der eine war sehr eifrig beschäftigt, sich mit einem Dolchmesser die Nägel seiner Zehen zu verschneiden. Neben ihm hockte ein zweiter, welcher einen Gegenstand in der Hand hatte, der vor langen Jahren wahrscheinlich einmal eine Bürste gewesen war, und rieb sich damit dasjenige Kleidungsstück, welches wohl nur er eine Hose nannte. Dieses Beinkleid war so voll von Schmutz, und der Besitzer arbeitete mit solchem Nachdruck, dass er in eine dichte Staubwolke gehüllt war. Ihnen gegenüber hatte ein dritter einen Napf voll Milch zwischen den ausgestreckten Beinen und schabte an der Schneide seines Messers Knoblauch, den er in die Milch tat. An der dritten Wand saß ein vierter auf dem Boden und hatte den Kopf eines fünften, den er rasierte, im Schoße liegen. Dieser fünfte war ein bärtiger Arnaut [75] . Er trug nur auf der Mitte des völlig eingeseiften Schädels ein Haarbüschel. Der Barbier strich alles, was er von dem Hirnschädel des Genannten schabte, ganz gemächlich an die Wand und schnitt während seiner Arbeit Grimassen, wie ich sie selbst in den Vereinigten Staaten von keinem Negerbarbier gesehen habe. Und das will viel sagen, da diese schwarzen Barbers wegen ihrer wunderbaren Gesichtsverzerrungen berühmt sind.
    Als diese Herren uns eintreten sahen und unsern Gruß hörten, musterten sie uns zunächst. Dann fuhren der Fußzehenoperateur und der Kleiderreiniger in ihren Beschäftigungen fort. Der Mann mit der Milch benützte die Unterbrechung dazu, eine wirklich lebensgefährliche Dosis Knoblauch in den Mund zu stecken. Der Barbier aber sprang auf, verbeugte sich tief und sagte:
    »Chosch geldiniz; bendeniz el öpir – seien Sie willkommen; Ihr Diener küsst die Hand!«
    Da wir nicht so schmutzig aussahen wie der Hosenbürster, so hielt uns der Barbier wohl für vornehme Leute.
    »Mehandschi nerde – wo ist der Wirt?«, fragte ich.
    »Dyschar dadyr – er ist draußen.«
    »Berber-sen – du bist Barbier?«
    »Hei

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