Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
- Lasst die Toten ruhen

- Lasst die Toten ruhen

Titel: - Lasst die Toten ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Kotowski
Vom Netzwerk:
sich die Hände, trocknete sie an der Schürze und reichte mir die Rechte dann mit den Worten dar:
    »Wir haben noch niemals so vornehme Gäste bei uns gesehen. Wir sind so arm, und ich weiß nicht, was ich euch bieten soll.«
    »Wir haben, was wir brauchen«, beruhigte ich sie. »Wir wären weitergeritten; aber da ich hörte, dass ihr Christen seid, entschloss ich mich, bei euch zu bleiben.«
    »So tretet ein in unsere Hütte! Wir wissen, welche Ehre uns heute widerfährt.«
    Das klang so offen, herzlich und wohltuend. Auch sie war außerordentlich ärmlich gekleidet, doch sauber, trotz ihrer schmutzigen Arbeit. Rock, Jacke und Schürze, vielfach zerrissen, waren fleißig geflickt. Das sieht man so gern. Die Gesichter beider waren mager und hatten einen Zug, der auch von seelischem Leide sprach. Echt deutsch gesagt: Ich war den beiden Leuten sogleich gut.
    Man trat durch die Türe in eine kleine Abteilung, welche zur Aufbewahrung von Handwerkszeug und auch als Stall des Eselchens diente. Von da kam man links durch einen zweiten Eingang in die Wohnstube.
    Dort stand – ja, wirklich – ein richtiger Ofen, aus Ziegelsteinen aufgeführt. Dann gab es einen Tisch, eine Bank und einige Schemel, Handarbeit des Mannes und blitzblank gescheuert. Auf etlichen, an die Wand befestigten Brettern standen mehrere Gefäße. In der hinteren Ecke befand sich das Bett, von harzigen, bis zur Decke reichenden Zweigen eingefasst, und daneben war eine Nische angebracht mit dem Bild des heiligen Basilius und mit einem brennenden Lämpchen davor.
    Das war arm, aber anheimelnd.
    Die Frau blickte den Mann verlegen fragend an. Er gab ihr einen, nach außerhalb des Hauses gerichteten Wink und nickte dazu. Während wir ablegten, trat ich an das Fenster und sah, dass die Frau mit einer Hacke in der Hand quer durch den Bach schritt, was einige darin liegende Steine erleichterten, und dann jenseits in der Nähe eines Busches zu hacken begann. Ich ahnte sogleich, um was es sich handelte.
    In jenen Gegenden nämlich und noch mehr nach Griechenland hinein ist es in gewissen, natürlich christlichen Kreisen gebräuchlich, fest verschlossene Krüge oder sonstige Gefäße, die mit Wein gefüllt sind, zu dem Zweck zu vergraben, dass sie erst bei der Hochzeit der Tochter wieder ausgegraben werden. Der Wein hat dann eine seltene Güte erlangt. Bei reichen Hochzeiten geht es hoch her; es darf kein Tropfen übrig bleiben.
    »Lasst ihn drin«, sagte ich zu dem Manne. »Ich ziehe das Wasser vor, und meine Begleiter sind nicht Christen, sondern Mohammedaner und dürfen keinen Wein trinken.«
    »Nicht Christen? Sie haben doch hier vor dem Heiligen die frommen Zeichen gemacht!«
    »Weil sie es von mir gesehen haben. Sie verachten den Andersgläubigen nicht, doch halten sie ihre Gebote. Lass also den Wein in der Erde!«
    »Woher weißt du denn, dass ich Wein vergraben habe und ihn holen lassen will?«
    »Ich errate es.«
    »Ich habe nur ganz wenig, einen kleinen Krug voll. Meine Tochter bekam ihn von dem Jüngling geschenkt, welcher dann ihr Verlobter wurde. Wir vergruben den Wein, um bei der Hochzeit einen Ehrentrunk zu haben. Nun sie aber gestorben ist, wollte ich ihn euch anbieten.«
    »Das gebe ich nicht zu. Das Herz würde mir wehe tun.«
    »Herr, nimm ihn doch! Wir geben ihn so gern!«
    »Ich weiß es. Die Gabe des Armen hat hundertfachen Wert. Es ist so gut, als tränke ich ihn.«
    Ich ging hinaus und rief die Frau zurück. Sie gehorchte nur widerstrebend. Ich bat sie, heißes Wasser zu machen. Während dies geschah, führten wir die Pferde auf einen mit fettem Grase bewachsenen Plan und fesselten ihnen die Vorderfüße. Dann gab ich der Frau Kaffee, um ihn zu stoßen. Ich hatte dabei die große Freude, ein fröhliches Aufleuchten ihrer Augen zu bemerken. Wer weiß, seit wann diese armen Menschen keinen wirklich schmackhaften Kaffee gehabt hatten!
    Als der Trank fertig war und die ganze Stube durchduftete, zogen wir diese Leute aus der Verlegenheit, indem wir unsere Trinkbecher hervorholten. Nun kamen unsere Fleischvorräte an die Reihe. Als wir den Kaffee getrunken hatten, war es Nacht geworden, und der Braten lud zum Essen ein.
    Die beiden sollten sich mit uns an den Tisch setzen, waren aber nicht dazu zu bringen. Sie nahmen kein Stück von dem Fleisch an.
    »Verzeihe, Herr!«, sagte der Mann. »Wir dürfen heute nicht essen.«
    »Warum nicht? Es ist heute kein Fasttag.«
    »Wir essen montags, mittwochs und freitags nichts.«
    »Ich weiß zwar, dass bei

Weitere Kostenlose Bücher