Lasst Knochen sprechen: 3. Fall mit Tempe Brennan
ging die Tür auf, und Michel Charbonneau steckte seinen Bürstenkopf ins Zimmer. Er hatte einen braunen Umschlag in der Hand.
»Claudel hat mich gebeten, Ihnen das zu geben. Es ist der offizielle Spielplan für morgen, und Roy wollte, dass Sie ihn bekommen.«
»Ich vermute, Monsieur Claudel ist zu beschäftigt.«
Charbonneau zuckte die Achseln. »Er bearbeitet diese Mordfalle für beide Einheiten.«
Sein Blick wanderte zum Monitor.
»Desjardins?«
»Ja. Schauen Sie sich das an.«
Er kam um den Tisch herum und stellte sich hinter mich. Ich deutete auf die Kappe.
»Die ist von der University of South Carolina.«
»You can’t lick our cocks. Der berühmte Schwanzlutscher-Spruch.«
»Sie kennen das Team?«
»Wer nicht, bei dem Motto?«
»Das ist nicht der offizielle Slogan.«
»Cherokees Zimmerschmuck deutete darauf hm, dass er ein Sportfan war.«
Ich ignorierte die Bemerkung.
»Auf all den Fotos, die Sie von Cherokee gesehen haben, hat er da je eine Kopfbedeckung getragen?«
Charbonneau überlegte einen Augenblick.
»Nein. Und?«
»Vielleicht ist diese Kappe gar nicht seine. Vielleicht gehört sie dem Mörder.«
»Dorsey?«
Ich erzählte ihm von den Fotos von Lyle Crease.
»Dann war der Kerl eben einige Zeit in South Carolina. Na und? Die Hälfte der Quebecer macht dort unten Urlaub.«
»Warum interessierte sich Crease so plötzlich für mich, nachdem ich die Leichen ausgegraben hatte?«
»Abgesehen von der Tatsache, dass Sie so niedlich sind wie ein Robbenbaby?«
»Abgesehen davon.«
»Okay, wenn’s wieder ein bisschen ruhiger geworden ist, könnten wir uns Crease vornehmen und ihn wegen Gately und Martineau befragen. Aber es gibt nichts, was ihn mit dem Mord an Cherokee in Verbindung bringt.«
Ich erzählte ihm von dem Myrtle-Beach-Foto.
»Crease und Cherokee kannten sich, und dieses Foto war nicht von einem Pfadfinderlager.«
»Eine Fahrt durch Dixieland in der Eiszeit. Crease ist Journalist. Vielleicht hat er einfach eine Story recherchiert.«
Charbonneau warf den Umschlag auf den Tisch.
»Schauen Sie, Cherokee hatte eine Chemotherapie. Wahrscheinlich hat er sich die Kappe besorgt, als drüberkämmen nichts mehr half. Aber wenn es Sie beruhigt, dann überprüfe ich Crease mal.«
Als er gegangen war, wandte ich mich wieder dem Video zu, und mein Verstand raste durch ein Labyrinth von Erklärungen. Die Kappe konnte Dorsey gehört haben. Er hatte behauptet, etwas über Savannah Osprey zu wissen. Vielleicht war er in South Carolina gewesen.
Als die Kamera weiter an der Wand entlangschwenkte, spulte ich zurück und sah nur die Aufnahmen von der Ecke noch einmal an. Blutflecken. Gitarre. Vogelkäfig. Kappe.
Dann kam eine extreme Nahaufnahme, und ich spürte, wie sich mir die Nackenhaare aufstellten. Ich beugte mich vor, starrte den Monitor an und versuchte zu identifizieren, was ich eben entdeckt hatte. Es war unscharf, aber eindeutig vorhanden.
Ich spulte das Band zurück, schaltete den Recorder aus und eilte aus dem Zimmer. Wenn das, was ich gesehen hatte, real war, dann würden Claudel und Charbonneau sich eine neue Theorie überlegen müssen.
Ich stieg die Treppe in den dreizehnten Stock hoch und ging zu einem Schalter, hinter dem sich ein Raum voller Regale und Schränke befand. Auf einem kleinen blauen Schild neben dem Schalter stand Salle des Exhibits. Der Asservatenraum.
Ein Uniformierter der SQ schob eben eine Jagdflinte über die Theke. Ich wartete, bis die Frau hinter der Theke die Formulare ausgefüllt, dem Beamten eine Quittung ausgehändigt, dann die Waffe mit einem Etikett versehen und verstaut hatte. Als sie zurückkam, zeigte ich ihr die Nummer des Cherokee-Falls.
»Könnten Sie nachprüfen, ob zu den sichergestellten Indizien auch eine Baseball-Kappe gehört?«
»Bei diesem Fall gab’s eine lange Liste«, sagte sie, als sie die Nummer in den Computer eingab. »Das könnte eine Weile dauern.«
Sie überflog den Bildschirm.
»Ja, da ist es. Eine Kappe war mit dabei.« Sie las den Text. »Sie war in der Biologie für einen Blutflecktest, aber jetzt ist sie wieder hier.«
Sie verschwand zwischen den Regalen und kam nach einigen Minuten mit einer Ziploc-Plastiktüte wieder zurück. In der Tüte konnte ich die rote Kappe erkennen.
»Wollen Sie sie mitnehmen?«
»Wenn es Ihnen recht ist, schaue ich sie mir gleich hier an.«
»Natürlich.«
Ich riss die Tüte auf und ließ die Kappe auf die Theke gleiten. Dann hob ich sie vorsichtig am Schirm an und
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