Lasst Knochen sprechen: 3. Fall mit Tempe Brennan
Quickwater sich die beiden anderen Störungen vornehmen sollten. Nachdem ich jede Stelle mit einem einfachen Gitternetz versehen hatte, würden sie die Erde in dünnen Schichten abnehmen und jede Schaufel voll durchsieben.
Ich hatte die Carcajou-Ermittler angewiesen, auf Unterschiede in Farbe und Beschaffenheit der Erde zu achten. Falls sie irgendwelche Veränderungen entdeckten, sollten sie rufen. Jeder von uns würde von Beamten der Section d’Identité Judidaire, kurz SIJ, der Spurensicherung also, unterstützt werden, und Fotografen dieser Abteilung würden den gesamten Arbeitsablauf filmen und fotografieren.
Und genau so lief es auch ab.
Claudel bearbeitete mit seinem Team die Störung bei 13 Nord / 5 Ost, gute drei Meter von der meinen entfernt. Wenn ich hin und wieder zu ihm hinüberschaute, stand er über seinem Team, gab mit Gesten Anweisungen oder stellte Fragen nach etwas, das er im Erdreich entdeckt hatte. Sein Sakko musste er erst noch ausziehen.
Nach dreißig Minuten klirrte in Claudels Grube laut eine Schaufel. Ich riss den Kopf hoch, mein Magen verkrampfte sich. Das Schaufelblatt war auf etwas Hartes und Unnachgiebiges getroffen.
Claudel beobachtete, wie die Techniker und ich den Umriss freilegten. Der Gegenstand war verrostet und dreckverkrustet, aber die Form war unverkennbar. Claudels SIJ-Mann nannte das Ding gleich beim Namen.
»Tabernac! C’est un Weber.«
»Äh, Monsieur Claudel, wollen Sie ein Grillfest veranstalten? Hamburger auf den Rost legen, die Gartenstühle rausholen, vielleicht ein paar Mädchen einladen?«
»Jean-Guy, sag Monsieur Claudel, dass das auch einfacher geht. Diese Dinger gibt’s im Wal-Mart zu kaufen.«
»Ja.« Claudel ließ sich zu einem kleinen Lächeln herab. »Ihr seid so lustig, dass wir vielleicht einen Leichensack brauchen, weil ich umkomme vor Lachen. Aber jetzt grabt weiter. Wir müssen das Ding trotzdem rausholen, um sicherzugehen, dass sich darunter keine Überraschung versteckt.«
Claudel überließ den Grill seinem Team und ging mit mir zu 11 Nord / 4 Ost. Ich arbeitete mit meiner Kelle weiter am Nordrand, während Claudel über meinem SIJ-Assistenten am Südrand stand. Um zwei Uhr waren wir ungefähr neunzig Zentimeter tief, und bis jetzt hatte ich weder in der Grube noch im Sieb etwas entdeckt, das auf eine Leiche hindeutete.
Dann sah ich den Stiefel.
Er lag auf der Seite, der Absatz ragte leicht nach oben. Mit meiner Kelle kratzte ich die Erde in seiner Umgebung weg. Mein Helfer sah mir kurz zu, arbeitete dann aber an seinem Ende weiter. Claudel beobachtete mich kommentarlos.
Wenige Minuten später hatte ich das Gegenstück gefunden. Mühsam schabte ich Hand voll um Hand voll Erde weg, bis das Paar ganz freigelegt war. Das Leder war feucht und stark verfärbt, die Ösen verbogen und verrostet, aber beide Stiefel waren noch einigermaßen intakt.
Nach der Freilegung notierte ich mir Lagetiefe und Position, und der Fotograf hielt meinen Fund auf Film fest. Während ich jeden Stiefel behutsam heraushob und auf eine Plastikfolie legte, zeigte sich, dass keiner von beiden Fuß- oder Beinknochen enthielt.
Kein gutes Zeichen.
Der Himmel hatte ein Delfter Blau, die Sonne brannte heiß. Hin und wieder raschelte eine Brise in den Ästen über unseren Köpfen und ließ sie leicht gegeneinander schlagen. Rechts von mir plätscherte der Bach über Steine, die vor Urzeiten ein Gletscher hier abgeladen hatte.
Ein Schweißtropfen löste sich aus meinem Haaransatz und lief mir den Nacken hinunter. Ich zog mein Sweatshirt aus und warf es auf die Kiefernnadeln neben unserer Grube. Ich wusste nicht so recht, ob meine Schweißdrüsen auf die frühlingshafte Wärme reagierten oder auf den Stress, unter dem ich litt.
Bei Exhumierungen ging es mir immer so. Die Neugier. Die gespannte Erwartung. Die Angst vor einem Fehlschlag. Was liegt unter der nächsten Schicht? Was, wenn da nichts ist? Was, wenn da etwas ist, ich es aber nicht unbeschädigt herausbekomme?
Am liebsten hätte ich mir einen Spaten geschnappt und einfach drauflosgebuddelt. Aber rücksichtsloser Tagebau war nicht die Lösung. So mühsam der Prozess auch war, wusste ich doch, dass die richtige Grabungstechnik hier entscheidend war. In einem Fall wie diesem war es wichtig, so viel an Knochen, Artefakten und kontextuellen Details wie möglich zu bergen, und deshalb mühte ich mich weiter ab, löste behutsam Erde und warf sie in Eimer, damit sie durchgesiebt werden konnte. Aus den Augenwinkeln heraus
Weitere Kostenlose Bücher