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Lasst uns froh und grausig sein

Lasst uns froh und grausig sein

Titel: Lasst uns froh und grausig sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
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Zugang zu den Sachen? Da waren doch noch andere Mitarbeiter in der Bude. Was hatten die denn zu tun? Kasse? Verkauf? Oder was?«
    Tine schwieg.
    »Überleg doch mal, Clemenza«, sagte Tjark. »Doris Mey hatte Zugang zu den Sachen, ebenso alle anderen Mitarbeiter der Buchhandlung. Aber das Gift muss gezielt in Enikös Getränk gekommen sein, denn nur sie wurde vergiftet. Das heißt: Der Täter träufelte in letzter Sekunde das aconitum napellus in exakt den Cocktail, der ganz sicher Enikös Magen fluten würde.«
    Ich schloss die Augen und sah die Szene vor mir. Ich mitten im Gewühl, Enikö am Stehtischchen, einen Stift in der Hand. Fünf Finger, die ihr das präparierte Glas reichten. Kein Zweifel. Tjark hatte recht.
     
    *
    Das Telefonat mit Tante Consuelo brachte ich rasch hinter mich. Weihnachten im Kreis der Familie abzusagen, das durfte man nicht mal denken, geschweige denn tun. Ich konnte nur deshalb auf Milde hoffen, weil ich Polizistin war. Deutsche Polizistin. Die galten als korrekt und waren ohnehin immer im Einsatz. »Aber spätestens zum sechsten Januar bist du bei uns? Dann ist dein Fall doch gelöst?« Ich hörte ein »Mach uns keine Schande, Mädchen« aus der Leitung tropfen und versprach nichts. Legte auf und lächelte mir ins Fäustchen.
     
    *
     
    Malaika Norden war ein Künstlername. Die Mundartdichterin hieß gut bürgerlich Susanne Wensky, trug das blondierte Haar toupiert und hörte die Kulmbacher Flöhe husten.
    »Ich finde Enikös Karikaturen fabelhaft!«, flötete sie. »Fabelhaft. Meine Güte, ich habe mich kaputtgelacht über Bundschuhs rutschenden Heiligenschein. Warum musste der auch noch zum Schönheitschirurgen, in dem Alter!« Sie setzte mir eine stattliche Sammlung Plätzchen vor und goss Tee in zerbrechliche Tässchen. »Wussten Sie, dass der Redakteur, der in der Bayerischen Rundschau über den Mord schrieb, kurz vor dem Rausschmiss steht?«
    Ich biss in den erstbesten Keks. »Wegen des Artikels?«, fragte ich kauend. Das Zitronat verklebte mein Gebiss. Ich hasste Weihnachtsgebäck.
    »Nein. Die Kündigung droht ihm schon länger. Er bringt einfach keine Themen ein. Nur langweiligen Kram, Familienfeste, Spielmobil, Adventstraditionen.« Malaika alias Susanne klopfte auf ihre Speckfalten. »Mögen Sie meine Plätzchen?«
    »Sehr lecker«, flunkerte ich.
    »Bei Ihnen in Italien gibt’s ja das viel bessere Gebäck. Wenn ich nur an die Panettoni denke …«
    »Arbeitete Henrich denn nicht schon länger bei der Bayerischen Rundschau?«
    »Ach!« Malaika machte eine fahrige Handbewegung. »Zuerst war er Freelancer. Dann gaben sie ihm einen befristeten Vertrag. Aber der Deskchef ist nicht zufrieden mit ihm.«
    »Woher wissen Sie das so genau?«
    Sie griff in die Plätzchendose und biss genüsslich zu.
    »Ich bin mit Neuns Sekretärin befreundet«, schnurrte sie. »Aber das behalten Sie doch für sich, ja?«
    »Kennen Sie sich mit Giften aus?«
    Sie grinste verschwörerisch und angelte ein Buch aus dem Regal. ›Meine Hexenküche‹. Passender Titel.
    »Die tödlichsten Rezepte, die Sie sich denken können, Frau Conzi.«
    Malaika war so frei, mir das Buch auszuleihen.
     
    *
     
    »Alibis«, knurrte Tjark am Morgen des dreiundzwanzigsten Dezember. »Zu viele Alibis.«
    Ich besah mir die Liste. Malaika Norden hatte während Enikös Signierstunde in der städtischen Bücherei Gedichte vorgelesen, der Bauamtsmann in einer Besprechung gehockt, der Pfarrer eine Andacht gehalten und die 2. Bürgermeisterin war mit ihrem Fahrer unterwegs zur Landesregierung gewesen.
    »Ich habe die Karikaturen der Konkurrenten durchgesehen. Da war keiner, der sich auch nur im mindesten mit Enikö Marai hätte messen können. Alles schon mal da gewesen und ziemlich bemüht«, erklärte ich meinem Vorgesetzten.
    »Du meinst, wo keine ernst zu nehmende Konkurrenz besteht, gibt’s keinen Grund für einen Mord?«
    Ich zuckte die Achseln.
    »Übrigens: Von den Leuten, die aufs Unschönste karikiert wurden, haben nur Karl Neun und Helge Bundschuh kein Alibi.«
    Jeder in Kulmbach wusste, dass der Deskchef bei der Bayerischen Rundschau Verhältnisse mit jüngeren Frauen hatte und Dicke lieber mochte als Hungerhaken. Enikös Zeichnung bemühte seine Libido äußerst subtil in Gestalt einer ausgebeulten Pluderhose.
    »Dann fühlst du den beiden auf den Zahn!«, befahl Tjark.
    Ich griff zum Telefon.
     
    *
     
    »Das muss man sportlich nehmen, Frau Kommissar«, sagte Dr. Helge Bundschuh leutselig, als ich ihn nach seiner

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