Lasst uns froh und grausig sein
Aneinandergeklammert stakten sie durch den vereisten Schnee zurück zum Hintereingang.
»Komisch. Ich habe eben diesen Lebkuchenstern gefunden.« Nora klopfte mit der freien Hand auf ihre Manteltasche. »Sieht aus wie einer von meinen, riecht aber ganz anders.«
Der Regen prasselte jetzt mit Wucht auf alles herab. Wo steckte der Spillerige? Das eisige Wasser lief Katinka übers Gesicht. Beim besten Willen konnte sie nichts und niemanden erkennen. Mit einem letzten Blick auf die Leiche folgte sie Nora Molitor zurück in den Club.
17 Uhr 45
»Katinka Palfy, Privatdetektivin. Und Sie bleiben jetzt alle schön hier.«
An den Tischen im ehemaligen Boxring saßen Dante und Caren, außerdem eine Frau in einer roten Skijacke. Ein Typ im Anzug, der sein Saxofon im Arm hielt wie eine Siamkatze, hockte vor dem Fernsehschirm und starrte lethargisch auf den Lauftext am unteren Rand. Walt Meier, der eine sperrige Plastikmappe unter den Arm geklemmt hatte, war schon an der Tür.
»Halt!«, schrie Katinka. »Im Hinterhof liegt ein Toter.«
Walt hatte die Hand an der Klinke, drückte die Eingangstür auf. Doch die viel zu riesige Mappe verhakte sich in dem schweren Vorhang.
Mit drei Schritten war Katinka bei Walt. Sie überwältigte ihn mit Leichtigkeit. Er protestierte, wehrte sich aber nur halbherzig.
»Stopp. Mal langsam. Kripo.«
Katinka starrte die Frau in der roten Skijacke an, die eben noch mit Dante und Caren am Tisch gesessen war.
»Hauptkommissarin Clemenza Conzi. Sorry, aber Sie haben Konkurrenz bekommen.«
»Ich hätte ohnehin Ihre Kollegen angerufen.«
Dante rückte mit seiner Kamera an. »Sie ist mit Hauptkommissar Uttenreuther verbandelt. Dem Leiter der Mordkommission in Bamberg. Darf ich?«
»Unterstehen Sie sich!«, schnauzte Katinka. Das passte ja alles wunderbar zusammen. Ihre Beziehung zu Hauptkommissar Hardo Uttenreuther musste hier nicht auch noch seziert werden.
»Von mir aus«, bleckte Clemenza die Zähne.
Die beiden Frauen sahen einander an.
»Da war noch einer«, sagte Katinka schließlich. »So ein kleiner, schmächtiger. Ist das Ihr Kumpel, Meier?«
»Was geht Sie das an? Lassen Sie mich in Ruhe.«
»Erzählen Sie mir nicht, Sie hätten die Leiche im Hinterhof nicht gesehen!«
»Was denn für eine Leiche?«
»Wer ist der Kerl in dem Ledermantel?«, insistierte Katinka.
»Sie werden mit ihm fertig, oder?«, fragte Clemenza. »Dann sehe ich mir den Toten mal an. Vielleicht klärt sich gleich alles auf.«
Die hat keine Lust, einen Tag vor Heiligabend eine Mördersoße anzurühren, dachte Katinka. Verständlich. Sie griff nach Walts Mappe, löste die Gummibänder und klappte sie auf. Mindestens zwei Dutzend Zeichnungen lagen vor ihr. Kohle, Bleistift, teils Buntstift. Vorsichtig blätterte sie durch den Stoß Papier. »Diese Skizzen hier gehören einer gewissen Trude Nüsslein, hab ich recht? Aus dem Nachlass geklaut, um sie als Ihre eigenen in den Kunstmarkt zu schleusen!«
»Hä?«, machte Walt. Aber er sah nicht mehr so besonders selbstsicher aus.
»Wo ist denn Ihr Mittelsmann? Für das Wetter da draußen war er ja ein bisschen dünn angezogen!«
»Den finde ich!« Clemenza Conzi war schon unterwegs.
Caren stand neben Katinka. »Geben Sie mir die Kabelbinder. Ich passe auf ihn auf.«
»Sie?«
»Ex-Triathletin. Mit Erfahrung beim Festsetzen von Straftätern.«
Wo ist eigentlich Nora?, dachte Katinka, während sie Clemenza folgte.
17 Uhr 50
»Weit kann er nicht sein!«, schnauzte Clemenza.
»Sind Sie dienstlich hier?«
»Ach wo! Morgen kommt die Verwandtschaft aus Neapel. Jeder Mensch braucht eine Erholungsphase, bevor es Weihnachten zur Sache geht. Wenigstens habe ich es dieses Jahr geschafft, Tanten und Co. nach Deutschland zu kriegen. So erspare ich mir den Flug. Ich mag keine Flugzeuge.«
»Also sind Sie Italienerin?«
»Mit zwei Jahren nach Kulmbach gekommen. Ich habe eine gute Freundin in Bamberg. Wir sind heute mal durch die Stadt geschlendert.«
Die Kommissarin und Katinka standen im Korridor, der von den Toiletten nach hinten führte. Clemenza checkte das Männerklo, Katinka das Frauenklo.
»Für kleine Mädchen ist er definitiv nicht. Sind Sie sicher, dass Sie einen dritten Mann gesehen haben?«
Katinka weihte Clemenza in knappen Worten in ihren Auftrag ein. Die Italienerin pfiff leise durch die Zähne. »Das gibt eine Menge Ärger. Also: Ich Küche, Sie …«
Ein Rumpeln erschütterte den Club. Katinka zog ihre Beretta und stieß die Tür auf, durch
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