Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lasst uns froh und grausig sein

Lasst uns froh und grausig sein

Titel: Lasst uns froh und grausig sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
Vom Netzwerk:
und bei sanfter Musik in der Badewanne Sekt trinken.
    Wir wurden im Gewimmel abgedrängt und trafen uns hinter dem Stand der Buchhandlung wieder. Heute lief keine Musik. Von nebenan wehte Friteusenfett herbei, unterlegt von dumpfem Jingle-Bells-Ostinato.
    »So war das nicht gedacht!«, rief jemand aus der Bücherbude.
    Ich machte Tjark ein Zeichen. Wir standen still wie die Mucksmäuse und warteten.
    »So nicht! Wie viel hast du ihr überhaupt reingeschüttet?«, fragte ein Kerl.
    Eine unverständliche Antwort. Wir sahen uns an.
    »Sie sollte umkippen. Wegen des Aufsehens. Nur deshalb!« Die Stimme nahm Fahrt auf.
    »Ach, vergiss das doch! Glaubst du, das hätte uns nur einen müden Euro mehr eingebracht?«, keifte Tessi Gerber.
    »Ich wollte eine Story! Ich musste einfach irgendwas bringen, verflucht!«, keuchte der Mann.
    Georg Henrich, formte ich mit den Lippen.
    »Aber sie sollte nicht sterben!«, fuhr er fort, und die Verzweiflung trieb seine Stimme in die Höhe. »Sie sollte doch nicht sterben!«
    Mein Vorgesetzter brach durch die Sperrholztür in den Stand wie ein überpünktlicher Weihnachtsengel. Es war achtzehn Uhr siebenundzwanzig am dreiundzwanzigsten Dezember.
     
    *
     
    »Vermisst du deine Familie eigentlich nicht?«, fragte  Tjark spät in der Nacht, als er mich nach Hause brachte. Wir hatten alles in die Wege geleitet. Der Staatsanwalt freute sich, dass die Sache vor Weihnachten vom Tisch war. Als bliebe nach Weihnachten keine Zeit mehr. Zu nichts.
    »Nö«, sagte ich. Ich sah meinen Chef davonfahren, heim zu den Seinen.
     
    *
     
    »Orange Blossom!«, rief Dante. »Na klar, das wäre der richtige Drink, um Noras Menü abzuschließen. Finden Sie nicht?«
    »Genau!« Eifrig nickend, stellte Caren die leeren Kaffeetassen zusammen. »Und gucken Sie mal nach dem Rezept für die Lebkuchensterne. Müsste auch da in den Unterlagen sein.«
    »Übrigens«, bemerkte Dante, »finde ich, dass der Club einen Namen braucht. Wie wäre es mit ›Orange Blossom‹?«
    »Klingt aber nicht nach einem Restaurant. Eher nach Bar.«
     
    17 Uhr 40
    Katinka kniete neben dem Mann, der wie hingegossen im Schnee lag und mit leeren Augen in den Nachthimmel starrte. Sein Ledermantel glänzte vor Nässe. Sie konnte keinen Pulsschlag fühlen. Angespannt leuchtete sie ihm direkt ins rechte Auge. Die Pupille zeigte keine Reaktion. Der hat’s hinter sich, dachte sie. Aber warum? Was hat ihn umgebracht? Was hat dieses eigentümliche Knacken verursacht, das ich gehört habe? Sie sah sich im Hof um. Der Spillerige war verschwunden. Katinka war sich sicher, dass er nicht mehr durch den Durchgang hinausgegangen war. Sie hätte seine Spuren im Schnee sehen müssen. Andererseits: Vielleicht hatte sie sich getäuscht? In den vergangenen zwanzig Minuten waren drei Personen durch den Hof spaziert und hatten den Schnee aufgewirbelt. Doch von Fußabdrücken war kaum noch etwas zu sehen.
    Sie hielt ihr Handy schon in der Hand, um den Notruf zu wählen, als jemand aus dem Nebengebäude trat.
    Nora Molitor! Sie bückte sich, hob etwas auf, roch daran.
    »Frau Molitor!«
    Nora erschrak so heftig, dass sie ausrutschte und sich im letzten Moment fing.
    »Vorsicht! Es wird verdammt glatt!«
    »Auch schon gemerkt.« Nora guckte verdutzt zu ihr hoch. »Was machen Sie denn hier?«
    »Ihre Lasagne ist verbrannt.«
    »Verdammte Scheiße!«
    »Gibt’s ein Alternativessen?«
    »Ich habe noch frische Bagels«, murmelte Nora. »Und Hackfleisch in der Kühltruhe.« Der Regen strömte über ihren Mantel. Die Wollmütze, die sie trug, hatte sich schon mit Wasser vollgesogen.
    »Gucken Sie mal!« Katinka deutete auf den Mann im Schnee. »Wer ist das?«
    »Scheiße.«
    Im kalten Licht ihrer Stirnlampe sah Katinka Noras Augen. Sie waren ganz weit und dunkel. Wie riesige, schwarze Monde. »Und was machen Sie hier in meinem Hof?«
    »Kennen Sie den Mann?«
    »Ein Nachbar.«
    »Ach, du Schande!«
    »Ist er tot?«
    »Sieht so aus.«
    Nora klammerte sich an Katinka. »Es gibt Glatteis!«
    »Wo kommen Sie jetzt eigentlich her?«
    »Von Harun. Meinem Nachbarn. Er … wollte etwas für mich erledigen. Aber …« Nora starrte auf die Leiche. »Er wohnt in dem alten Lagerhaus nebenan. Es gibt eine Tür, direkt von der alten Wirtschaftsküche zu ihm. Also muss ich nicht den Umweg über die Straße machen. Was treiben Sie hier in meinem Hof? Wenn Sie rauchen wollen, ich kann Ihnen – unter uns – einen Raum zeigen, wo …«
    »Nein, danke. Nicht nötig.«

Weitere Kostenlose Bücher