Lasst uns froh und grausig sein
damit in meinen Unterschlupf zurück. Zeitung hilft gegen Kälte, aber noch wichtiger ist der spirituelle Mehrwert von Nellys Handabdruck. Bis das Aroma verblasst ist, kommt Nelly wieder und ich bekomme Schnuppernachschub.
Was für eine intensiv erlebte, helle Zeit! Und Weihnachten als glühendes Licht am Ende.
Ich würde Nelly schenken, was ihr Herz begehrte. Ich träumte so ein bisschen herum, kam aber nicht recht darauf, was Frauen sich wünschen. Ganz doof bin ich ja nicht und ahnte bereits, dass Wurst oder Fleischteile aus der Pizzeria nicht in Frage kommen würden. Ich fragte Roy.
»Ein Haustier«, dozierte er. »Frauen wünschen sich ein Haustier. Aber man muss den richtigen Zeitpunkt erwischen. Haben sie gerade eine Beziehung zu einem Mann aufgebaut, musst du abwarten, denn dann haben sie keine Zeit für das Tier. Jedenfalls nicht für euch Kläffer, denn euch muss man Gassi führen, während wir von der Spezies der Katzen…«
Ich ließ ihn quatschen. Er war älter als ich, also hielt ich den Mund, obwohl ich es unfein finde, über die Ausscheidungsvorgänge anderer zu reden. Das viel Wichtigere war jedoch: Ich hatte endlich die rettende Idee. Ich würde Nelly ein Haustier schenken. Mich selbst! Ob sie in einer Beziehung zu einem Mann stand?
Ich weiß alles über Liebesbeziehungen zwischen Menschenmännern und –frauen. Das ist einfach. Im Sommer sitzen die Pizzeriagäste draußen im Hof unter Sonnenschirmen. Ich muss nur zuhören. Das Fazit aus all den therapeutischen Plaudereien ist, dass das Zusammenleben der Geschlechter eine Art Vorhölle darstellt. Der Tag als Paar beginnt mit Schwierigkeiten und endet im Hades. Ich folgerte aus allem, was ich von den Menschen und von Roy gehört hatte, dass nur Singles die ideale Personengruppe sind, um mit einem Tier beschenkt zu werden. Hundertprozentig war Nelly Single! So beschwingt, so selig, wie sie auf ihrem Fahrrad daherrollte, ein Liedchen trällernd, und mit welcher Verve sie die Magazine vor den Kücheneingang segeln ließ!
Nachdem ich endlich beschlossen hatte, dass ich mich Nelly schenken würde, hatte ich einige weitere Probleme. Ich musste Nelly abpassen. Sie brachte die Zeitungen donnerstags. Donnerstag war schon morgen, und das war wiederum ein Tag vor Heiligabend. Mir blieb nichts übrig, als in rasender Eile meine Vorbereitungen zu treffen. Wie würde ich ihr auffallen? In meiner Schüchternheit zog ich mich immer, wenn sie kam, in meinen Unterschlupf zurück. Die Hemmung musst du mal ablegen für ein paar Minuten, sagte ich zu mir. Zunächst hatte ich noch ein anderes Problem zu durchdenken: Wie würde sie bemerken, dass ich ihr Geschenk war?
Die Leute, die in der Stadt ihre Einkäufe erledigten, schleppten hübsch eingewickelte Päckchen nach Hause. Glitzerndes Geschenkpapier leuchtete durch die Plastiktüten, oft umwickelt mit lockigen Bändchen, an die Sterne, kleine Weihnachtskugeln oder sogar Glöckchen gebunden waren. Manche trugen in Folie gewickelte Geschenke in den Armen, das knisterte und machte herrlich dramatische Geräusche.
Ich durchwühlte meine Habe. Folie sollte in ausreichender Menge vorhanden sein. Ich kontrollierte die Mülltonnnen und fand tatsächlich eine Menge Folie, in der zuvor der Pizzateig eingewickelt war. Sorgfältig leckte ich die Folie sauber. Wenn ich mich der Länge nach drauflegte und mich dann langsam um meine eigene Achse wälzte, würde ich mich selber verpacken können. Nun brauchte ich eine Schleife. Sladko hatte ein paar Tage zuvor alte Geschirrtücher weggeworfen. Ihre Farbe war verblasst und sie waren dreckig. Ich schleifte drei Tücher zu einer Pfütze und wusch sie. Sie sahen jetzt braun aus. Ich stemmte meine Vorderpfoten auf die Tücher und biss mich im Gewebe fest. Schnell hatte ich einige Stoffstreifen zur Hand. Zweifelnd fragte ich mich, wie ich die Schleife um meinen Körper rumbekommen sollte. Ich machte einige Versuche, verhedderte mich dabei aber in den Stofffetzen und kriegte sie um ein Haar nicht mehr ab. Dann gelang es mir, eine etwas größere Schleife zurechtzulegen. Ich würde sie mir einfach locker um den Hals hängen, das ging genauso.
Als Nächstes wollte ich Sternenschmuck basteln. Ich schnappte mir ein paar Dosendeckel und biss an ihnen herum. Die Sterne, die ich produzierte, sahen aus wie winzige Raumschiffe, richtig was Besonderes. Dummerweise schlitzte ich mir die Zunge auf. Das tat elend weh. Das Blut lief aus meinem Maul und tropfte auf die Schleife. Ich traute mich
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