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Lasst uns froh und grausig sein

Lasst uns froh und grausig sein

Titel: Lasst uns froh und grausig sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
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eigentlich geschenkt.«
    Walt Meier war ein harter Brocken. So schnell taute der nicht auf. Katinka lächelte ihn zuckersüß an: »Das Geschäft haben wir Ihnen doch längst versaut. Im Zeitalter des Internets nimmt Ihnen kein Galerist mehr die Skizzen ab! Weil sich so was nämlich herumspricht.«
    »Es sei denn, Sie beteiligen den Galeristen ausgesprochen großzügig an Ihren Einkünften.« Dante nickte und blickte gedankenverloren in die Ferne. »Bloß zu dumm, dass ich die Fotos von den Zeichnungen schon bei Flickr eingestellt habe …«
    Walt sprang auf und hechtete sich auf Dante. In seinem dunklen Mantel, aus dem der weiße Pulli spitzte, sich rund über einem kolossalen Bauch wölbend, sah er aus wie ein Orka, der seine Beute durch gezielten Körpereinsatz außer Gefecht zu setzen trachtete. Clemenza und Caren waren sofort zur Stelle. Sie hielten Walt fest, während Katinka dem unter den Tisch gerutschten Zeitungsmann aus Leidenschaft aufhalf.
    Wahrscheinlich hätte im Tumult gar niemand den schmächtigen Kerl bemerkt, der auf Zehenspitzen von der dunklen Tribüne herabkam, an die Wand geschmiegt wie ein Eichhörnchen, wenn nicht Harun und Teddy ausgerechnet in diesem Moment durch den Korridor beim Herrenklo gekommen wären.
    »He, halt!«, schrie Harun. »Wohin des Wegs?«
    Teddy packte den Dünnen am Kragen. Nora kam aus der Küche, verschwitzt, ein Geschirrtuch in der Hand. »Dich kenn ich doch!«
    Der Schmächtige knickte ein. Es war, als hätte ihm jemand die Luft herausgelassen. »Blöde Scheiße«, murmelte er, als sei es ihm egal.
    »Präzise ausgedrückt«, bestätigte Katinka, nahm Harun den Delinquenten ab und brachte ihn zu Walts Tisch.
    »Was haben Sie beide sich zu sagen?«
    Walt starrte auf den Boden.
    »Dreckiger Betrüger«, presste der dünne Bursche hervor. Aber die Empörung kaufte ihm niemand ab.
    »Da ist nicht viel zu machen, bei maximal zwei Gehirnzellen«, stellte Nora fest. »Ich sag ja: Ich kenne ihn. Hallo, Sladko, alter Kumpel!«
    Der Hänfling murrte verdrossen vor sich hin, während Nora die nächste Anekdote vor den Anwesenden ausbreitete:
     
    Zum Orinoco!
     
    Ich bin die Knallerbse der Nation und alle nennen mich Feger. Mit mir kann man’s ja machen. Ich gehöre nämlich zu den Benachteiligten der Gesellschaft, aber bisher habe ich es noch nicht geschafft, mir die Opferrolle zunutze zu machen. Zwar sind die Menschen zu Weihnachten spendenbereit, will heißen, sie kaufen auch mal eine Straßengazette von einem Obdachlosen, wenn der mit dem Wort »Nächstenliebe« klickert wie mit einem Mund voll Silberlingen. Aber man sollte lieber nicht zu viel erwarten.
    Ich wohne im Hinterhof eines verruchten Hauses. Im Erdgeschoss brutzelt eine Pizzeria und im ersten Stock lassen ein paar Junkies ihren Dunst ab. Mein Nahrungsbedarf orientiert sich vor allem an der Pizzeria. Dort ist es warm und man steckt mir so alles Mögliche zu: Sogar die Plastikfolie der Teigrohlinge ist halbwegs essbar, wenn mit superscharfen Peperoni und ein bisschen Tomatensoße garniert. Ich habe eine sehr feine Nase. Der Nachteil meines Etablissements ist, dass mir der Abzug der Pizzeriaküche direkt in meinen Unterschlupf ragt. Doch für diesen Winter habe ich nichts Besseres gefunden, und die Typen aus der Pizzeria rufen mich Feger und werfen mir vor, dass ich es doch gut hätte. Ich müsste ja nichts arbeiten, während sie die halbe Nacht in der Küche und am Vormittag im Großmarkt stehen, und den Leuten, die es zu Hause nicht mehr aushalten, Pizza alle Vongole backen müssen. Übrigens sind die Vongole-Büchsen die einzigen, die ich links liegen lasse. Jeden Mist lasse ich mir wirklich nicht andrehen. Mag sein, dass der scharfe Geruch verschwunden ist, wenn die Vongole heiß sind. Aber kalt treiben sie meinereinen in die Flucht.
    Da ich arbeitslos bin, habe ich eine Menge Zeit, mich in der Fußgängerzone herumzutreiben und in der Winterkälte von einem warmen Land zu träumen. Oder wenigstens von warmen Zimmern. Und so bin ich auch auf die ultimative Weihnachtsgeschenkidee gekommen. Eigentlich ist es ja so, dass ich sowieso außen vor bleibe. Ich meine, niemand erwartet von mir ein Weihnachtsgeschenk, auch nicht zwei, und so bin ich eine Menge Stress gleich wieder los, obwohl ich mich von dem Hullygully in der Stadt doch jedes Jahr von neuem mit Panik anstecken lasse. Aber Geschenke gehören einfach zu Weihnachten. Der dünnlippige Koch aus der Pizzeria legt mir schon mal eine Wurst raus. Dann ruft er

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