Lasst uns ueber Liebe reden
Club lag, an der Musik, am Koffein
oder am Taurin, dass er sich so unglaublich lebendig und gut fühlte, während er mit dieser Mystery, deren Leben er gerettet hatte, über
Wörter diskutierte. Ja. Doch, er fühlte sich richtig scheißgut.
»Hm,
wahrscheinlich sterben.« Er ließ die Kippe fallen und trat sie mit dem Absatz
aus. »Das Verb sterben.« Natürlich musste sie glauben, er wolle sie
beeindrucken, immerhin schrieb sie einen Roman über vorzeitiges Sterben und
Einäscherung. Aber es war die Wahrheit. Seine Gedichte handelten fast
ausschließlich vom Sterben. Dem Sterben aus Liebe, Wut, Langeweile oder Angst.
Dem Einschlafen und nie mehr Aufwachen.
Mystery
lächelte. »Das ist auch meins.« Ihre grauen Augen und ihr langes, schmales
Gesicht waren auffallend schön, dafür standen ihre Schneidezähne so schief und
waren so gelb, als wäre sie noch nie in ihrem Leben beim Zahnarzt gewesen. Sie
nahm einen Red-Bull-Cocktail vom Tablett einer vorbeikommenden Bedienung und
drückte ihn Dan in die Hand. »Rusty glaubt ja, dass Autoren die neuen Filmstars
sind. Eines Tages cruisen wir beide in unseren Stretchlimousinen mit Bodyguards
mm.« Sie seufzte schwer. »Als wäre das Leben dann leichter.« Sie hob ihr Glas
und stieß klirrend mit Dan an. »Auf die Poesie!«, sagte sie grimmig. Dann
packte sie Dan am Hinterkopf, zog ihn an sich und drückte ihre Lippen zu einem
camparigetränkten Kuss auf seine.
Dan
wusste, er hätte Mystery empört von sich stoßen und protestieren müssen, er
habe eine Freundin, er sei verliebt. Er wusste, er hatte kein Recht, es schön
zu finden, von einer unbekannten, nahezu nackten Frau mit gelben Zähnen ge-
küsst zu werden. Aber Mysterys Lippen schmeckten süß und zugleich sauer, und er
wollte gern verstehen, weshalb sie so traurig und erschöpft war. Er wollte sie entdecken, so wie er manchmal beim Schreiben die perfekte
Metapher entdeckte, und das ging nur, indem er sie weiterküsste.
»Hast du
ein Lieblingssubstantiv?«, flüsterte er ihr ins Ohr, als sie eine Atempause
einlegten.
»Sex«,
hauchte sie und suchte wieder nach seinen Lippen.
Dan
lächelte und erwiderte ihren Kuss.
Vielleicht
war es ja wirklich das Taurin, aber manchmal tut es einfach auch verdammt gut,
schlecht zu sein.
das mädchen hinter der kamera
»Wow. Dann
bist du also die Frau, ja?« Ein superhübscher, sonnengebräunter blonder Typ in
baggy, orangen Surfershorts, weißen Birkenstockschlappen und einer braun-weiß
gefleckten Ponyfellweste auf nackter Haut, grinste Vanessa mit strahlend weißen
Zähnen an. Er hieß Marco oder Spacko und behauptete, Filmproduzent zu sein.
»Die Regisseurin, die diese geilen Filme macht.«
»Sie ist
der neue Fellini«, korrigierte Ken Mogul Marco oder wie er hieß. »Gib mir ein
Jahr und die ganze Welt kennt sie.« Ken sah schwer nach Großstadtcowboy aus. Er
trug ein schwarzes Westernhemd mit weißen Dxuckknöpfen und darüber eine
silberne Daunenweste, die wie seine Bootcut- Jeans von Culture of Humanity war. Uber die roten Locken hatte er sich
einen schwarzen Stetson gestülpt und trug sogar schwarze Cowboystiefel. Er war
erst am Abend aus Utah eingeflogen, wo sein neuester Dokumentarfilm gerade auf
dem Sundance Film-Festival gelaufen war. Ein ziemlich ambitioniertes Projekt
über einen Gehörlosen, der in einer Fischkonservenfabrik in Alaska arbeitet
und mit sechsunddreißig Katzen in einem Wohnmobil haust. Weil der Mann nicht
redete und die meiste Zeit am PC hockte und irgendwelchen Frauen mailte, die er
auf Dating-Websites für Singles kennen gelernt hatte, hatte sich Ken
kameratechnisch einiges einfallen lassen müssen, um wenigstens ein bisschen
Action in den Film zu bringen. Es war sein bislang bestes Werk.
»Mensch,
Frau, als ich deinen Film gesehen hab, das war, als wäre ich noch mal geboren
worden«, sagte Spacko zu Vanessa. »Du hast mir echt den Tag vergoldet.«
Vanessas
Mundwinkel hoben sich zu einem halb gelangweilten, halb amüsierten
Mona-Lisa-Lächeln. Sie wusste nicht, wie sie es finden sollte, mit »Frau«
angeredet zu werden, freute sich aber, Spackos Tag vergoldet zu haben.
Die
Aftershow-Party von Culture of Humanity by Jedediah Angel war noch bombastischer als
die Modenschau selbst. Das Highway 1 war wie ein indisches Hochzeitszelt dekoriert;
knapp bekleidete Bikini-Mädchen, die noch nicht mal in der Show mitgelaufen
waren, aalten sich auf ledernen Diwanen, schlürften mit Safran versetzte
Martinis oder wiegten sich zu den live
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