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Last days on Earth

Last days on Earth

Titel: Last days on Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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blieb auf der Treppe stehen und legte den Kopf in den Nacken.
Wut war das eine, mangelnde Information das andere. Kurz entschlossen griff sie
zu ihrem Handy und wählte.

 

    12. 19. 19. 10. 19.
    Sie hockte auf einem kleinen Kissen und balancierte eine
Tasse mit bitterem grünem Tee auf dem Knie.
    Tora-san saß ihr gegenüber und rauchte. Sie trug einen schwarzen
Baumwollkimono, der bequem und elegant zugleich aussah, und ihre Füße steckten
in weißen Zehensocken. Karla hatte Raouls Lehrerin bisher nur als Stimme am
Telefon erlebt und war überrascht, wie zierlich und zart die Großmeisterin
wirkte. Aber alle Zartheit hatte ein Ende, wenn man in Tora-sans Augen sah. Aus
ihrem Blick sprachen ein klarer, kühler Verstand und ein eisenharter Wille.
    Â»Was kann ich für Sie tun?«, eröffnete Tora-san schließlich das
Gespräch.
    Â»Tora-san, Sie wissen, dass ich vom Dienst suspendiert und vom
Weißen Zweig ausgeschlossen wurde.«
    Die Großmeisterin nickte abwartend und sog an ihrer Zigarette.
    Â»Ich suche nach einem alternativen Lebensplan und möchte mich
deshalb auch über den Schwarzen Zweig informieren.« Das war nur halb gelogen.
Natürlich hatte sie sich in der Dunkelheit der Nacht schon gefragt, ob es
wirklich so schrecklich wäre, einer anderen magischen Schule anzugehören.
    Die Großmeisterin stützte das Kinn in die Hand und musterte Karla.
»Ich kenne Ihre Akte, Ihren Lebenslauf, Ihren familiären Hintergrund, mein
Kind. Sie wollen sich nicht wirklich dem Schwarzen Zweig anschließen. Was also
bezwecken Sie mit Ihrer Frage?«
    Karla zwang sich, den prüfenden Blick so offen wie möglich zu
erwidern. »Ich weiß, dass ich diesen Sprung höchstwahrscheinlich nicht
schaffe«, sagte sie. »Aber ich bin verzweifelt und ratlos, Tora-san.«
    Die alte Japanerin überraschte sie mit einem Lächeln. »Sie sind
stark, Frau van Zomeren. Der Schwarze Zweig benötigt Menschen wie Sie, die
nicht aus Schwäche, sondern voller Zorn und Skepsis zu uns stoßen.« Sie legte
die Zigarette behutsam in einer Schale ab und hielt Karla die Hände hin. Karla
nahm sie ohne Zögern. Der kräftige Griff überraschte Karla nicht.
    Â»Ich möchte, dass Sie sich entspannen«, befahl die Großmeisterin.
»Jede Anwärterin muss sich einmal einer Sondierung unterwerfen. Diese Prozedur
kennen Sie bestimmt von Ihrer Anstellung bei der MID .«
    Karla nickte ergeben. Sie fragte sich kurz, was Tora-san in ihrem
Bewusstsein finden würde, dann dachte sie nichts mehr, sondern schwebte in
grauer Stille.
    Als die Welt wieder Kontur erlangte, lehnte sie an der Wand und
hielt eine Tasse Tee in der Hand. Sie blinzelte und ließ die Realität erneut an
Ort und Stelle rutschen.
    Tora-san saß ihr wie zuvor gegenüber, die brennende Zigarette in der
Hand. Sie betrachtete Karla mit nachdenklicher Miene.
    Â»Frau van Zomeren«, sagte sie, als sie Karlas sich klärenden Blick
erkannte, »wir müssen miteinander reden. Sie haben mich belogen.«
    Karla nippte an ihrem Tee. »Inwiefern?«, fragte sie kühl.
    Â»Ihr Wunsch, sich uns anzuschließen, war ein Vorwand.«
    Es war kein Vorwurf in ihrer Stimme. Karla hob die Schultern. »Ich
dachte, es wäre eine Möglichkeit.«
    Â»Ihr Bewusstsein ist völlig anderer Meinung.« Die Großmeisterin
lächelte schwach. »Sie könnten sich sogar eher vorstellen, auf die Nachtseite
zu wechseln. Ich muss zugeben, dass ich das bedauere.«
    Karla nickte. »Ich auch«, sagte sie zu ihrer eigenen Überraschung.
    Â»Nun, das ist doch ein Anfang.« Tora-san streifte Asche von ihrer
Zigarette ab. »Wenn Sie möchten, können wir in einem Jahr noch einmal darüber
reden. Falls diese Welt in einem Jahr noch existiert.«
    Karla registrierte beinahe abwesend den Schock, der bei diesen
Worten durch ihren Körper schoss. »Wie meinen Sie das?«
    Â»Warum stellen Sie diese Frage? Sie ermitteln seit dem Frühjahr in
dieser Angelegenheit. Inzwischen haben Sie ein Datum, auf das all die
Zwischenfälle hinauszulaufen scheinen.«
    Karla schnaubte. »Das sind nichts als Vermutungen. Ich untersuche
keine Weltuntergangstheorie, Tora-san. Raoul und ich sind mit der Untersuchung
von zwei Morden …«
    Â»Dummes Zeug«, fuhr die Großmeisterin dazwischen. »Sie waren nie mit
der Untersuchung irgendeines Mordes

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