Last days on Earth
Rucksack unter die Garderobe
stellte. Sie ging in die Küche, befüllte die Kaffeemaschine und durchsuchte den
Kühlschrank nach Eiern, Butter und Käse.
»Guten Morgen«, sagte eine verschlafene Stimme. Raoul lehnte gähnend
und mit zerrauften Haaren am Türrahmen. Die beiden letzten Nächte hatten
deutliche Spuren hinterlassen, er wirkte wie ein angezählter Boxer, der auf den
erlösenden Gong wartet. »Du siehst aus, als könntest du einen starken Kaffee
vertragen«, sagte Karla. »Was macht dein Kopf?«
Er hob die Hand und betastete vorsichtig seine Schläfe. »Uhmmm«,
machte er. »Es könnte besser sein.« Er löste sich vom Türpfosten und machte
eine unbestimmte Geste in Richtung Bad. »Ich halte mich mal eben unter kaltes
Wasser. Frühstück? Gute Idee.« Er schlurfte davon.
Karla briet Spiegeleier und versuchte, sie nicht anbrennen zu
lassen. Der Kaffee gurgelte mit einem stöhnenden Geräusch in die Kanne und
verströmte sein herbes Aroma, das sich mit dem Geruch der frischen Brötchen
mischte. Karla ertappte sich dabei, dass sie leise vor sich hin pfiff.
Als Raoul mit nassen Haaren und klareren Augen aus dem Badezimmer
kam, saà sie bei ihrer ersten Tasse Kaffee und las die Zeitung. »Schon wieder
ein Hochhausbrand«, sagte sie.
Raoul griff nach der Kaffeekanne und schenkte sich ein. Karla sah
aus dem Augenwinkel, dass seine Hände zitterten. »Wie war die Wohnung?«
»Schrecklich.« Karla schnitt ein Brötchen auf und legte es auf
seinen Teller. Er sah sie verwundert an. Karla hob die Brauen. »Keine Sorge«,
sagte sie. »Ich fange nicht an, dich zu bemuttern. Hab nur keine Lust, die
Krankenschwester zu spielen, wenn du dir die Hand aufschneidest.« Sie musterte
den Schnitt in seiner Handfläche.
»Das war eine beruflich notwendige Verletzung«, erklärte er
würdevoll. »Ich habe gestern noch den Aufenthaltsort unseres Mörderkommandos
herauszufinden versucht.«
Karla hörte sich an, was er zu berichten hatte. Sie lachte, als er
von der falsch geeichten Pistolenkugel berichtete und dabei ein Gesicht machte
wie ein Schuljunge, der seine Hausaufgaben vergessen hat.
»Du meinst, du hättest eher Erfolg gehabt, wenn du nach dem Schützen
gesucht hättest und nicht nach seinem Auftraggeber?«
Raoul bestätigte das mit grimmiger Miene und biss in sein zweites
Brötchen. »Ich habe mir jetzt einen guten Teil der fehlenden Erinnerungen
angeeignet«, sagte er. »Ist euch aufgefallen, dass ein bestimmtes Motiv immer
wieder auftaucht, und zwar völlig zusammenhanglos?«
»Welches Motiv wäre das?«
»Ein Datum und die damit zusammenhängende Ãberlieferung. Der 21.
Dezember.«
»Das Ende der Langen Zählung«, sagte Karla. »Maya-Kalender. Eine der
bevorzugten Weltuntergangstheorien in diesem Jahr.«
»So ist es. Du bist doch die Fachfrau für morphisches Dingsda. Was
sagst du zu der Feldstärke dieser Theorie?«
Karla dachte nach. Dann nickte sie. »Eine jahrtausendealte
Ãberlieferung, ein Glaube, ein mathematisches oder astronomisches System, eine
Kultur, deren Nachfahren immer noch Bezug dazu haben, und eine auÃerordentlich
groÃe Resonanz bei Menschen, die in irgendeiner Weise auf
Weltuntergangstheorien abfahren ⦠das dürfte ein verdammt starkes Feld
sein. Gut überlegt, Chaosmagier.«
Raoul fuhr sich mit den Fingern durch seinen kurzen Bart. »Und was
ist mit dem Memplex-Generator? Wie könnte er damit zusammenhängen?«
Karla schob ihren Stuhl zurück und streckte die Beine aus. Sie
fühlte sich zugleich angenehm matt und unternehmungslustig. Das war immer so,
wenn ihr Essentia-Spiegel wieder auf Normal-Null stand. »Warten wir ab, was
Sonny anschleppt.«
»Dann werden wir uns noch Norxis von Felsenstein ansehen«, ergänzte
Raoul. »Ob uns das etwas bringt, wage ich aber zu bezweifeln. Er ist ein
konservativer Drache, wenn ich Quass richtig verstanden habe.«
»Das heiÃt?«
»Er mag keine Menschen. Er findet sie unangenehm, lästig und
vollkommen uninteressant.«
Karla machte sich Notizen. »Maya-Kalender«, sagte sie. »Wo finden
wir jemanden, der sich damit auskennt?«
»Ich frage Tora. Sie kennt so ziemlich jeden Experten in diesem
Land.«
»Dann verfolgen wir den Memplex-Generator-Faden und die Verbindung
zu den Versatilen.« Karla schrieb
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