Last days on Earth
»Sonny« hinter das Stichwort. »Das
Killerkommando?«
Raoul runzelte die Stirn. »Warum sind die nur so stümperhaft
vorgegangen? Sie hätten uns doch einfach abknallen können, und die Sache wäre
erledigt gewesen.«
»Da hat jemand nicht viel Geld für einen Auftrag ausgegeben«,
folgerte Karla. »Oder sie sollten uns gar nicht umbringen â nur erschrecken.
Eine Warnung?«
»Die keinen Sinn ergibt, wenn man sie nicht ausspricht.«
»Wir werden es herausfinden, wenn wir diesen Wurdelak in die Mangel
nehmen.« Karla stand auf und räumte ihre Tasse in die Spülmaschine. »Ich sehe
in der Bibliothek nach Literatur über die Maya. Du versuchst den Wurdelak zu
finden?«
»Warte«, hielt Raoul sie zurück, als sie zur Tür ging. »Ich habe das
ernst gemeint, als ich dir die Dachwohnung angeboten habe. Willst du sie dir
nicht wenigstens ansehen?«
Karla zögerte. Es war ein wirklich nettes Angebot. Raoul war ein
groÃzügiger Mensch. Aber wollte sie wirklich von seiner GroÃzügigkeit abhängig
sein? »Was kostet die Wohnung?«
Raoul seufzte. »Wenn ich jetzt sage: ⺠Nichtsâ¹,
wirfst du mir dein Notizbuch an den Kopf, wie ich dich kenne. Bezahl mir Strom
und Heizung. Und wenn du einen Job hast, können wir über die Miete noch mal
reden.«
Karla nickte knapp. »Danke«, sagte sie und fand selbst, dass es
unfreundlich klang. »Ehrlich â danke«, setzte sie wärmer hinzu. »Du bist ein
Freund.«
Raoul lächelte nicht, er sah erschreckt aus. »Ich habe keine
Freunde«, verteidigte er sich.
»Jetzt schon«, erwiderte sie. »Quass und Tora-san ⦠und mich.«
Sie lächelte ihn an. »Du hast selbst gesagt, ich sei deine Freundin und das
gebe dir das Recht, dich in meine Angelegenheiten zu mischen.«
Er wandte sich ab. Karla betrachtete ihn nachdenklich. »Warum
trennst du dich nicht von ihm?«, fragte sie. »Er ist schuld daran, dass du es
nicht wagst, Freundschaften zu schlieÃen.«
»Das verstehst du nicht«, wehrte er ab. »Die Gemeinschaft mit einem
Daimon ist etwas Lebenslängliches. Unsere Persönlichkeiten sind mittlerweile so
miteinander verzahnt, verschmolzen und verwachsen, dass keiner von uns beiden
das noch ändern könnte, ohne ernsthafte Schäden davonzutragen. Solch eine Gemeinschaft
löst sich erst mit dem Tod des Wirtes.« Er senkte den Kopf, und Karla hörte den
geflüsterten Nachsatz: »Wer weiÃ, ob das, was sich dann von meinem Körper löst,
ein neugeborener Daimon ist. Einer, der auch meine Züge trägt â¦Â«
Karla schauderte. »Was für ein grässlicher Gedanke!«
»Ist er das?« Raoul fuhr herum. »Weiterzuexistieren, wenn deine Zeit
schon längst abgelaufen ist? Hast du niemals darüber nachgedacht, wie es wäre,
wenn dich dein Liebhaber vollständig umwandeln würde? Wie es sich anfühlen muss,
ewig zu leben? Hat dich dieser Gedanke nicht gereizt?«
»Nein«, erwiderte Karla empört.
»Niemals? Auch nicht im entferntesten Winkel deines Bewusstseins?«
Kit hatte es ihr angeboten, mehrmals. Und sie müsste lügen, wenn
dieser Gedanke nicht verlockend gewesen wäre. »Ich habe darüber nachgedacht«,
gab sie gereizt zu. »Aber es ist keine Option.«
»Nun, da unterscheiden wir uns. Ich habe schon als Junge â¦Â«
Raoul unterbrach sich und schüttelte den Kopf. »Gleichgültig. Brad und ich sind
eine Person. Wenn er dir etwas Böses antut, dann musst du mich zur Rechenschaft
ziehen.«
Karla lachte auf. »Das kann ich nicht. Ihr seid so unterschiedlich,
Raoul. Du bist nicht Brad.«
Raouls Gesichtsausdruck war starr wie der einer Maske. »Das weiÃ
ich«, sagte er. »Aber er benutzt meinen Körper und damit bin ich
verantwortlich. So lauten die Regeln.«
»Mag sein, aber es sind nicht meine Regeln«, fauchte Karla. Sie riss
die Tür auf und schmetterte sie hinter sich zu. Warum war sie so wütend auf
Raoul? Er war, was er war. Sie begriff diese seltsame Konstruktion nicht. Das
Verhältnis, das Raoul zu seinem Symbionten hatte, erschien ihr krank und
falsch. War das überhaupt eine Symbiose? Oder hatte Raoul sich freiwillig einem
bösartigen Parasiten ausgeliefert, der ihn nun aussaugte und für seine Zwecke
benutzte, bis Raoul aufgab und starb? Um als Daimon wiedergeboren zu werden?
Karla
Weitere Kostenlose Bücher