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Last days on Earth

Last days on Earth

Titel: Last days on Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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festhielt. Sie hüpfte im Sitz auf und
ab und stieß gelegentlich unsanft mit der Tür zusammen.
    Â»Da«, rief Raoul und riss das Lenkrad herum. Die Abzweigung war ein
schmaler, unbeleuchteter Weg, der zwischen zwei Waldsäumen ins Dunkel führte.
Die Scheinwerfer beleuchteten Blätter, Äste, Unterholz, dann wieder den
holprigen Weg.
    Â»Bist du sicher?« Karla drehte die Karte und gab es auf. »Du hast
die Kugel.«
    Die tanzte und wirbelte und drehte sich auf dem Armaturenbrett.
Raoul warf einen flüchtigen Blick darauf und nickte. »Die Richtung stimmt.«
    Â»Quass hat sich gemeldet«, sagte er nach einer Weile. »Während du
weg warst. Diese Charity-Veranstaltung steigt am zweiten Wochenende im
September.« Er warf ihr einen schnellen Seitenblick zu. »Es ist eine
White-Tie-Veranstaltung.«
    Â»Hui!« Karla pfiff durch die Zähne. »Wenn schon, denn schon, hm?«
Sie stopfte die Karte in die Tasche der Tür und dehnte ihre Schultern. »Wo
nehme ich bloß ein Abendkleid her?« Sie sah Raoul an. Es war müßig, ihn zu
fragen, ob er einen Frack besaß. Er sah bestimmt umwerfend aus in so einem
Teil.
    Raoul fluchte und steuerte an einem umgestürzten Baum vorbei, der
halb auf dem Weg lag. Sie holperten über unbefestigten Grund, dann knirschte
wieder der Schotter des Wegs unter den Rädern.
    Â»Mach dir keine Sorgen um ein Kleid«, sagte er. »Wir finden sicher
etwas Passendes für dich im Ankleidezimmer.«
    Karla sah ihn ungläubig an. »Du hast Abendkleider im Schrank?«
    Raoul knurrte. »Nicht ich. Brad.«
    Karla stellte sich einige irritierende Augenblicke lang vor, wie
Raoul – nein, Brad – in einem Abendkleid vor einem Spiegel posierte. Dann
gluckste sie und sagte: »Ah. Verstehe. Hat er denn eine Freundin von meiner
Größe in seiner Sammlung?«
    Â»Keine Ahnung«, sagte Raoul. Wie immer, wenn es um dieses Thema
ging, erschien er ein wenig unangenehm berührt. »Aber ich denke, es ist von
jedem Format was dabei. Er langweilt sich schnell.«
    Das war eine interessante Aussage, fand Karla.
    Raoul fixierte die Kugel, die gerade einen kleinen Hüpfer
vollführte. »Gibt es hier etwa irgendwo noch eine Abzweigung?«
    Â»Dort!« Karla zeigte ins Dunkle.
    Raoul warf ihr einen schrägen Blick zu. »Du solltest fahren«,
beschwerte er sich. »Du hast die bessere Nachtsicht.«
    Karla erwiderte nichts darauf. »Weiter hinten kommt eine Einfahrt«,
sagte sie dann. »Ich kann zwischen den Bäumen ein Haus erkennen. Einige der
oberen Fenster sind beleuchtet. Vielleicht sollten wir ohne Licht
weiterfahren.«
    Raoul nickte und schaltete die Scheinwerfer aus. Der Jaguar rollte
im Schritttempo durch die Dunkelheit. Karla gab mit gedämpfter Stimme Hinweise.
    Â»Jetzt sehe ich es auch«, sagte Raoul nach einer Weile. Die helle
Hausmauer schimmerte gespenstisch wie der Bauch eines toten Fisches durch die
Bäume. »Gehen wir den Rest zu Fuß.« Er nahm seinen Stab und die Kugel und
öffnete die Tür.
    Das Gebäude war größer als es aus der Entfernung gewirkt hatte.
Sie mieden die Eingangstür, über der ein trübes Licht brannte, und gingen ums
Haus herum, an mehreren fest verschlossenen Fenstern vorbei, hinter denen die
Dunkelheit nistete, bis sie hinter dem Haus eine kurze Treppe erreichten, die
vom Garten aus hinunter ins Kellergeschoss führte. Die Tür zum Keller war
verschlossen, aber Raoul murmelte: »Das bekomme ich auf.«
    Karla beobachtete ihn gespannt, wie er mit zwei Fingern rund um das
Schloss ein verschlungenes Symbol zeichnete. Das Schloss öffnete sich mit einem
Knacken. Raoul zog die Tür auf und sah Karla fragend an.
    Â»Ich gehe vor«, sagte sie und schob sich an ihm vorbei. Sie wusste,
dass Raoul in der Finsternis des Kellers so gut wie blind sein musste. Sie ging
zur nächsten Tür, die in den Keller hineinführte. Dahinter erstreckte sich ein
langer Flur, der auf eine Treppe führte.
    Â»Wir können riskieren, ein wenig Licht zu machen«, sagte sie
gedämpft. Raoul nickte und hob seinen Stab. Der silberne Vogelkopf begann zu
schimmern, als würde er von Mondlicht beglänzt. Es war ein schwaches Licht,
weniger hell als eine Kerzenflamme, reichte aber aus, um ihnen die Durchquerung
des Kellers zu erleichtern. Raoul blickte auf die Kugel, die in seiner anderen
Hand tanzte, und zuckte die Achseln.

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