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Last days on Earth

Last days on Earth

Titel: Last days on Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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bin es leid, Kit«, sagte sie und kehrte ins Zimmer zurück.
»Wenn du weiter für Perfido den Botenjungen spielen willst, dann ist das deine
Sache. Ich möchte nach Hause.«
    Er blickte von der Zeitung auf, die er las. Sein Gesicht legte sich
in besorgte Falten. »Komm her«, sagte er. »Ich massiere dir den Nacken.«
    Sie legte sich neben ihn und streckte die Beine aus. »Ich will keine
Massage«, wehrte sie ab. »Kit, das ist kein Leben für mich. Ich weiß manchmal
nicht mehr, wo wir sind und welches Datum wir haben. Welche Jahreszeit, welcher
Kontinent. Ich bin diese ewige Dunkelheit so leid.« Sie biss sich auf die
Lippe.
    Seine Hände berührten ihre Schultern und begannen sie sanft zu
massieren. »Ich werde Perfido um Urlaub bitten«, sagte er. »Er wird nichts
dagegen haben. Ich habe im letzten halben Jahr gute Arbeit geleistet.«
    Â»Ist es dir so gleichgültig, dass er dir deinen Nachtclub
weggenommen hat?«, fragte Karla heftig.
    Seine Hände fuhren fort, ihre verspannten Muskeln zu kneten. »Es war
nicht mein Nachtclub«, erwiderte er ruhig. »Ich war dort nur Geschäftsführer.
Der Princeps …«
    Karla machte sich los und drehte sich um, damit sie ihm ins Gesicht
sehen konnte. »Du tanzt, wenn er pfeift?« Warum fragte sie ihn das? Alle
Nachtgeborenen ihrer Gens tanzten widerspruchslos zu Perfidos Melodie.
    Kit legte seine Arme um sie, und Karla ließ sich mit einem Seufzer
zurücksinken. »Hat er dich nicht genug bestraft?«, fragte sie. »Ich habe dir
verziehen. Kann er es nicht auch?«
    Kit küsste sie auf den Hals. Seine scharfen Eckzähne kratzten dabei
zart über ihre Haut, was sie schaudern ließ.
    Â»Wenn wir zurückgehen«, flüsterte er, »wäre es an der Zeit, dich
vollständig zu wandeln, meinst du nicht auch?«
    Karla blickte aus dem Fenster auf die Lichtreklamen und erleuchteten
Fenster, sah über den Dächern der Wolkenkratzer die helle Dunstglocke, die den
Nachthimmel mit seinen Sternen verblassen ließ. Sie atmete tief ein und aus und
nickte dann. »Ich denke, wir sollten es tun. Wird Perfido es erlauben? Ich bin
als Generartrix doch viel wertvoller für die Gens.«
    Â»Ich habe mit ihm gesprochen«, unterbrach Kit sie. »Er hat nichts
dagegen.« Er streichelte ihren Rücken, fuhr mit zärtlichen Fingern an ihrer
Wirbelsäule hinunter.
    Karla drehte sich weg und stützte sich auf den Ellbogen. Sie
musterte Kit mit zusammengezogenen Brauen. »Über meinen Kopf hinweg?«, fragte
sie sanft, aber der Zorn, den sie empfand, färbte ihre Stimme dunkel.
    Kit sah sie verständnislos an. »Ja, sicher«, erwiderte er.
    Karla ließ sich zurücksinken und starrte an die Decke. Manchmal war
er ihr so fremd. Immer, wenn sie zu vergessen drohte, dass er kein Mensch war,
sondern ein Nachtgeborener, wurde sie wieder darauf gestoßen, und jedes Mal
fühlte sie sich erschreckt, angewidert. Sie musste sich damit abfinden, dass
die Gens ihre Familie war und Perfido ihr Herrscher, dass jedes seiner
Familienmitglieder ihm blind gehorchte und keines seine Macht infrage stellte.
    Wenn sie mit Kit in die Villa zog und sich der Umwandlung unterwarf – würde das auch für sie gelten.
    Wie weit war sie sich selbst schon fremd geworden? Ihr Zorn auf Kit,
ihr Wunsch, ihn nie wiederzusehen, ihr Verlangen, ihn zur Hölle zu jagen und
für immer aus ihrem Gedächtnis zu streichen – das alles war in dem Moment
verblasst, in dem sie gemeinsam zur Villa gefahren waren. Sie hatte sein
Verlangen gespürt, ihre Essentia pochte dumpf, schien kurz vor dem Ausbruch –
der Teil von ihr, der bereits umgewandelt war, hatte seinem Hunger nichts
entgegenzusetzen.
    Karla fand sich mit Kit in ihrem Zimmer – dem kleinen Schlafraum, in
dem sie sich auch immer mit Maurizio zu treffen pflegte –, und als sie seinen
Hunger gestillt hatte und in seinem Arm lag, war ihr Zorn eine ferne, fremde
Erinnerung.
    Seitdem war er nicht mehr von ihrer Seite gewichen, und sie fühlte
sich so kräftig und gesund wie schon seit Langem nicht mehr. Der beständige
Abfluss ihrer Essentia war das Geheimnis. So, wie es sie krank machte, den
Überschuss an Lebenskraft horten zu müssen, so sehr ließ es sie gesunden, ihn
regelmäßig abzugeben – entweder an Kit oder an Maurizio. Karla gönnte sich den
seltenen Luxus, sich verwöhnen zu lassen,

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