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Last days on Earth

Last days on Earth

Titel: Last days on Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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Augen. Raoul musste zugeben, dass
er den jungen Mann recht sympathisch fand. Obwohl – jung? Wahrscheinlich war er
sogar älter als Raouls Großvater …
    Er nickte dem Vampir zu und sagte: »Ich bin nebenan. Wenn Sie etwas
benötigen, rufen Sie einfach.«
    In der Küche schenkte er sich erst einmal ein Glas Wein ein. Das war
sicher keine gute Idee, aber er brauchte jetzt etwas Stärkendes.
    Raoul hörte die Wohnungstür. »Hallo«, rief Karla, »ich bin da, wir
können los.« Ihre Schritte kamen näher, dann verstummten sie vollständig. Kurz
darauf hörte Raoul einen so wütenden Aufschrei, dass er das Glas fallen ließ
und ins Wohnzimmer rannte.
    Karla hatte sich auf den Vampir gestürzt und prügelte auf ihn ein.
Ihr Gesicht war zu einer Grimasse des Zorns verzerrt. »Du …«, keuchte sie
und rang mit dem Vampir, der sich bemühte, ihre Hände festzuhalten und
gleichzeitig ihren Tritten auszuweichen. »Du Scheißkerl«, keuchte Karla, »du
verdammter Hurensohn, ich bring dich um, du elender Blutsauger …!«
    Raoul sprang dazwischen. Es brauchte keine große Geistesanstrengung,
um zu erkennen, wen er da in die Wohnung gelassen hatte. »Soll ich ihn
rausschmeißen?«, fragte er und packte die Schulter des kleineren Mannes. Der
wehrte sich weder gegen Raouls Griff noch gegen Karla. Er hielt ihre
Handgelenke fest und schwieg.
    Raoul sah Karla an. »Soll ich?«
    Sie war totenblass, und ihre Augen glühten. »Nein«, sagte sie und
machte sich mit einem Ruck frei.
    Der Vampir ließ die Hände sinken. »Karla«, sagte er. »Es tut mir
leid. Ich bin verantwortlich für deine Veränderung. Was auch immer du wünschst,
werde ich tun.«
    Raoul zog sich unangenehm berührt ein wenig zurück. Der Mann – Kit
Marley – klang aufrichtig betrübt, aber nicht im Mindesten unterwürfig. Der
Mischung aus Stärke und zärtlicher Sorge würde Karla, wie Raoul vermutete,
nicht widerstehen können.
    Â»Also gut«, sagte Karla schroff. »Meinetwegen. Wir reden, dann
verschwindest du aus meinem Leben.«
    Raoul unterdrückte ein Seufzen. Er mied den Blick des Vampirs und
sah Karla an. »Möchtest du hier mit ihm …?«
    Â»Nein«, sagte sie. »Wir fahren zur Villa. Das ist neutrales Gelände,
und falls ich doch noch Lust bekomme, ihn umzubringen, hast du keine Probleme
mit einer Leiche in deiner Wohnung.« Das klang so bitterernst, dass Raoul nur
stumm nickte. Er beugte sich vor, küsste Karla auf die Wange und warf dem
Vampir einen warnenden Blick zu.
    Der erwiderte den Blick mit undurchdringlicher Miene und folgte
Karla zur Tür.
    Â»Wir sehen uns morgen Mittag«, rief sie Raoul noch zu, dann war sie
weg.
    Raoul wusste in diesem Moment mit klarer Sicherheit, dass er Karla für
lange Zeit nicht mehr zu Gesicht bekommen würde.

 

    12. 19. 19. 17. 17.
    Nacht. Die dauernde Dunkelheit, in der sie sich bewegte,
begann ihr auf die Nerven zu gehen. Sie stand auf dem großen Balkon, der zu
ihrem Hotelzimmer gehörte, und blickte auf die Myriaden von Lichtern, die sich
ohne Zweifel allergrößte Mühe gaben, die Nacht zum Tag zu machen. Aber es war
nicht das Gleiche, ganz und gar nicht.
    Karla stützte sich auf die Brüstung und starrte in das bunte,
blinkende Gewimmel der Hochhäuser und zehnspurigen Straßen. Wo waren sie? War
das Singapur oder schon New York? Sie hatte vor zwei Wochen begonnen, die
Orientierung zu verlieren – oder, besser gesagt, sie hatte die Lust verloren,
sich zu merken, in welchem Stadtmoloch ihr derzeitiges Hotelzimmer lag.
    Egal, wo sie waren, Kit bestand darauf, eine Suite im obersten
Geschoss in einem dieser gesichtslosen Hotels zu mieten, die es überall auf der
Welt gab. Egal, ob sie in Sydney, Tokio, Bangkok oder San Francisco logierten –
in ihrer Suite war alles ganz genauso wie in der letzten, das Frühstück
schmeckte exakt gleich, die Dinnerkarte sah genauso aus wie die vorletzte und
die übernächste, und manchmal glaubte Karla, dass sogar das uniformierte
Personal immer dasselbe war – geklont, nur für den Einsatz in dieser Hotelkette
hergestellt, künstlich, steril, lächelnd …
    Sie hasste es so, dass sie am liebsten ihre Koffer genommen hätte
und zum Flughafen gefahren wäre. Ein Flugzeug, egal wohin, nur weg von diesen
schrecklichen Hotels.
    Â»Ich

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