Last days on Earth
Nummer. Wieder klingelte es endlos, dann endlich ertönte ihre Stimme.
»Tora-san«, sagte Karla, »was ist mit Raoul?«
»Frau van Zomeren?« Die GroÃmeisterin klang so ruhig wie immer, aber
Karla glaubte, eine unterdrückte Spannung in ihrer Stimme zu vernehmen. »Warum
rufen Sie mich an? Wo sind Sie?«
»In â¦Â« Karla blickte auf die Zeitung, die Kit neben das Bett
geworfen hatte, bevor er hinausgegangen war. »In Singapur. Raoul hat mich
angerufen, und ich bin sehr besorgt. Ich fliege schnellstmöglich nach Hause,
aber vorher wollte ich mit Ihnen sprechen.«
»Bleiben Sie, wo Sie sind«, erwiderte Tora zu Karlas Ãberraschung.
»Singapur. Ich hätte mir einen weniger anfälligen Ort für Sie gewünscht â etwas
Weitabgelegenes. Nun gut. Sehen Sie zu, dass Sie sich nur im Erdgeschoss
aufhalten. Meiden Sie Menschenansammlungen. Am besten schlieÃen Sie sich in
irgendeinen Keller ein. Ich habe keine Ahnung, wie schlimm es wird. Und kommen
Sie auf keinen Fall auf die Idee, ein Flugzeug zu benutzen. Die Dinger stürzen
ab.«
Karla starrte ihr Telefon sprachlos an. Was war da los? Waren alle
verrückt geworden?
»Was ist mit Raoul?«, fragte sie erneut. »Er sagt, dass ihn jemand
verfolgt und töten will.«
»Ja.« Nichts weiter.
»Tora-san?«
»Bleiben Sie, wo Sie sind. Das ist der beste Rat, den ich Ihnen
geben kann.« Die Verbindung wurde beendet.
Karla fluchte und trat gegen ihren Koffer. Dann wählte sie die
Nummer von Quass von Deyen.
Es klingelte. Karla verdrehte die Augen und warf ihre T-Shirts in
den Koffer. Die Hosen. Die Jacken. Die Pullover. Ihre Unterwäsche â¦
»Bei von Deyen, was kann ich für Sie tun?«, meldete sich die ruhige
Stimme des Butlers.
»Horace!« Karla wurden die Knie weich vor Erleichterung. »Karla van
Zomeren hier, erinnern Sie sich an mich?«
»Frau van Zomeren, selbstverständlich. Was �«
Karla sprach schnell weiter. »Können Sie mich mit Herrn von Deyen
verbinden?«
Der Butler räusperte sich. »Ich fürchte, das ist nicht möglich.«
»Bitte, Horace, es ist dringend. Ich befinde mich in Singapur und
habe einen besorgniserregenden Anruf von Raoul Winter erhalten â¦Â«
»Ich würde Sie ja gerne mit Herrn von Deyen verbinden«, sagte der
Butler, »aber Herr von Deyen ist momentan nicht in der Lage, ans Telefon zu
gehen.«
Karla setzte sich auf die Bettkante. »Was ist los bei euch?«, fragte
sie scharf. »Sind denn alle verrückt geworden?«
»Frau van Zomeren â¦Â« Horace zögerte, dann sagte er schnell und
leise, als wollte er nicht, dass seine Worte an die falschen Ohren gelangten:
»Ich darf es Ihnen eigentlich nicht sagen, eine solche Indiskretion ist
unverzeihlich. Aber Sie haben doch Erfahrung ⦠Etwas Schreckliches geht
vor sich. Er hat sich eingesperrt und weigert sich, mit mir zu reden. Er lässt
niemanden zu sich vor, auch Herrn Winter nicht. Er fürchtet, dass ihn jemand
umbringen will, und vertraut nicht einmal mehr mir. Ich fürchte, er verliert
seinen Verstand â¦Â«
»Horace«, sagte Karla, »Horace, ganz ruhig. Ich werde heute
zurückfliegen, dann komme ich bei Ihnen vorbei. Aber was ist vorgefallen?«
»Nichts«, erwiderte der Butler. »Gar nichts. Wir haben einige sehr
friedliche Wochen genossen, die Winterruhe vorbereitet, gelegentlich kam Herr
Raoul zu Besuch â nichts AuÃergewöhnliches. Ich begreife es nicht â¦Â«
»Ich verstehe«, sagte Karla, obwohl sie nichts dergleichen tat. Sie
versprach Horace, sich bei ihm zu melden, und legte auf. Ein paar Atemzüge lang
starrte sie auf ihren gähnenden Koffer und lieà ihre Gedanken wieder zur Ruhe
kommen. Es nützte niemandem, wenn sie durchdrehte. Packen. Nach Hause fliegen.
Erst nach Raoul suchen, dann mit Horace telefonieren. Sie rieb sich über die
Augen und stand auf.
»Ich habe einen Flug für dich«, sagte Kit und schloss die Tür hinter
sich. »Warum musst du so eilig abreisen?«
»Raoul steckt in Schwierigkeiten«, sagte Karla knapp. »Wann kann ich
fliegen?«
»In sechs Stunden mit der Qantas. Du müsstest in Heathrow
umsteigen.«
Karla stopfte ihre letzten Utensilien in den Koffer und drückte ihn
zu. »Qantas?«, fragte sie unkonzentriert. »Das ist keine Drachengesellschaft.«
Kit stand mit
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