Last days on Earth
ja â¦Â« Raoul stellte das Glas ab. »Quass, das wusste
ich nicht. Belästige ich dich also all die Jahre mit meinem â¦Â«
»Daimonengeruch?« Der Drache hob sein Glas an den Mund. »Das ist
nicht schlimm. Menschen riechen auch nicht sonderlich gut. Autos stinken
schrecklich. Werwölfe â¦Â« Er schüttelte sich unwillkürlich. »Die ganze
Stadt riecht wie ein riesiger Abfallhaufen. Wenn unser Geruchssinn nicht sehr
schnell abgestumpft wäre, könnten wir es in der sogenannten Zivilisation keine
Stunde aushalten.« Sein Blick verschleierte sich. »Manchmal habe ich Sehnsucht
nach der reinen Luft, die über einem Gebirgszug herrscht. Oder dem salzigen
Geschmack der Meeresluft. WeiÃt du, wie eine frische Goldader duftet?« Er
seufzte.
Raoul wechselte hastig das Thema. »Deine Bücher«, sagte er. »Quass,
ich fürchte, dass genau das zutrifft, was ich dir angedeutet habe: Der
Diebstahl hängt mit einer ganzen Serie zusammen.« Er erklärte dem Drachen, was
er am heutigen Tag erfahren hatte.
»Der ehrenwerte Norxis«, sagte Quass. In seinen Nüstern glomm dunkle
Glut. »Wir sitzen beide im Vorstand des Dragons Clubs.« Er senkte den Kopf und
hauchte in sein Glas. Flämmchen tanzten über den Wein. Raoul beobachtete es mit
Interesse. Quass zeigte selten, dass ihn etwas beunruhigte, und wenn er es tat,
dann waren die Zeichen gut versteckt und für jemanden, der den Drachen nicht
gut kannte, nicht zu lesen. Aber Raoul wusste, dass Quass seine Getränke nur
dann in Brand zu setzen pflegte, wenn ihn etwas oder jemand stark beschäftigte
oder ärgerte.
»Er ist kein Freund von dir«, folgerte Raoul.
Quass stürzte den brennenden Wein in einem Schluck hinunter und
setzte das Glas sanft ab. »Wir sind keine Freunde, nein. Aber seine Sammlung
ist bemerkenswert. Er besitzt einige Stücke, die ich ihm gerne abgekauft hätte.«
Er zuckte mit den Flügeln. »Gleichgültig. Ich habe sie mir auf andere Weise
besorgt.«
Raoul runzelte die Stirn. »Seine Bücher?«
»Nein, natürlich nicht. Die stehen in der Sammlung, gut gesichert,
wie ich bisher angenommen hatte. Welche Bücher wurden gestohlen? Werke über
Magie? Codices? Grimoires?«
»Etwas von allem.« Raoul zitierte die Liste, und Quass nickte zu
jedem Titel.
»Der Codex Tro-Cortesianus. Ich frage mich immer noch, wie Norxis
den in seine Klauen bekommen hat. Es gibt überhaupt nur vier erhaltene
Maya-Codices auf der ganzen Welt, und dieser ist der schönste.« Quass grollte,
und eine kleine Rauchwolke stieg in die Luft. »Dann das Voynich-Manuskript.
Auch so ein Unikat. Diese beiden hätte ich ihm für mein Leben gerne abgekauft,
und nun sind sie für immer verloren.«
»Ich hoffe, dass wir sie wiederfinden«, sagte Raoul.
Der Drache fuhr fort: »Die Picatrix â oder der Ä Äyat al-HakÄ«m â ist kein Werk, das qualitativ in diese Reihe gehört. Das Grand Grimoire ist
da schon interessanter, obwohl ich der Meinung einiger Experten zuneige, dass
es sich hier um eine Fälschung aus dem 19. Jahrhundert handelt.« Er schwieg und
blickte in die Flammen des Kaminfeuers.
»Quass«, sagte Raoul ruhig, »das ist sicher alles sehr interessant.
Aber kannst du dir vorstellen, warum jemand für diese Bücher in ein Museum
einbricht und einen Wächter tötet?«
Der Drache schüttelte den Kopf. »Der Codex ist wertvoll, die
Handschrift auch. Aber in dieser Kategorie stehen noch ein halbes Dutzend
Bücher dort. Ich erinnere mich, dass er zum Beispiel eine der Erstausgaben von
Dantes Divina Commedia besitzt â und die ist ja wohl noch da, wenn deine Liste
vollständig ist.«
»Also waren es möglicherweise Auftragsdiebstähle?«
»Du meinst, dass ein Sammler seine Sammlung vervollständigen will?«
Quass gab ein schnurrendes Geräusch von sich. »Wie klug. Warum bin ich nicht
als Erster auf den Gedanken gekommen?«
Raoul musterte ihn mit aufkeimendem Misstrauen. »Und â bist du auf den Gedanken gekommen?«
Quass erwiderte die Frage mit einem unergründlichen Blick. Er
schenkte Rotwein in beide Gläser und hauchte über sein Getränk. Und während er
die Flammen betrachtete, sagte er leichthin: »Natürlich bin ich das. Aber ich
habe den Diebstahl nicht in Auftrag gegeben, Raoul. Keinen der Diebstähle.«
Raoul seufzte.
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