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Last days on Earth

Last days on Earth

Titel: Last days on Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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aber keine Delicata sollte so unwissend
sein.« Er schenkte sein Glas voll, und Karla, die sich immer noch sprachlos vor
Wut die brennende Wange hielt, sah, dass seine Hand so ruhig war wie seine
Stimme.
    Â»Was wollen Sie tun? Mich hier festhalten?«
    Er warf ihr einen verächtlichen Blick zu. »Die Frage, die Sie
stellen sollten, lautet: Was wollen Sie tun? Sich auf
der Fährstraße zu den anderen Bluthuren stellen? Oder lieber in eins der Häuser
einziehen? Ich könnte mir vorstellen, dass Elena sehr erfreut darüber wäre, Sie
zu ihren Mädchen zählen zu dürfen.«
    Â»Was erlauben Sie sich!« Karla sprang auf und stürmte zur Tür.
    Â»Das war keine Beleidigung, Frau van Zomeren. Das sind die
Tatsachen. Sie werden kaum eine andere Möglichkeit finden, den Überdruck
loszuwerden.«
    Karla knallte die Tür hinter sich zu und lief die Treppe hinunter.
So wütend wie jetzt war sie in ihrem ganzen Leben noch nicht gewesen. Sie
fühlte das Blut in ihren Ohren rauschen und in den Schläfen pochen.
    Irgendwie fand sie in ihr Zimmer zurück. Ihr Herz wummerte, und rote
Schleier ließen ihre Sicht verschwimmen. Das Gefühl, dass ein Eisenkorsett um
ihre Brust lag und sie zuschnürte, war mit Macht zurückgekehrt. Sie fiel auf
ihr Bett und rang nach Luft. Das konnte doch nicht … nicht so früh …
    Mit letzter Kraft streckte sie den Arm aus und griff nach dem
Klingelzug, und noch während sie daran zerrte, schwanden ihr die Sinne.

 

    12. 19. 19. 04. 03.
    Raoul kehrte in seine Wohnung zurück und telefonierte. Als
Erste rief er Tora an. »Roshi«, sagte er ohne Einleitung, »ich sitze in der
Scheiße. Wie groß ist dein Einfluss beim Weißen Rat?«
    Seine Lehrerin hörte ihn geduldig an. Dann schwieg sie eine Weile.
»Nein«, sagte sie bedauernd. »Nein, mein Junge. Ich fürchte, dass ich dir nicht
helfen kann. Deine Freundin hat sich in eine Ecke manövriert, aus der sie
niemand herausholen kann.«
    Â»Was soll das heißen?«
    Â»Was ich gesagt habe. Es ist das Recht der MID ,
sich zu vergewissern, dass ihre Magistra nicht auf der falschen Seite gelandet
ist.«
    Â»Das ist doch dummes Zeug!« Raoul fuhr frustriert mit der Hand durch
seine Haare. »Karla ist eine gesetzestreue Weiße Hexe. Loyal bis zur Sturheit.
Sie würde niemals …«
    Â»Sie hat!«, unterbrach Tora ihn. »Raoul, du kennst die Regeln nicht,
denen die Hexen unterworfen sind. Ein winziger Schritt vom schmalen Pfad der
Tugend, und es ist vorbei. Wahrscheinlich wird sie suspendiert und dann einer
dieser unglaublich langwierigen Reinigungszeremonien unterworfen, bevor sie
wieder in den Dienst zurückkann, das arme Ding.« Tora lachte.
    Raoul knirschte mit den Zähnen. »Das wird sie nicht überleben«,
sagte er. »Sie hat die Zeit nicht mehr, irgendwelche Rituale über sich ergehen
zu lassen, Tora. Und, was noch schlimmer ist, ich habe so ein Gefühl, als
hätten wir diese Zeit nicht!«
    Â»Wie meinst du das?«
    Â»Wir sind einer seltsamen Sache auf der Spur. Ich kann dir nicht
sagen, worum es geht, aber alles läuft auf eine groß inszenierte Katastrophe
hinaus.« Raoul wagte sich auf dünnes Eis. Nichts davon war belegt, Karla und er
hatten aberwitzige Spekulationen angestellt.
    Erstaunlicherweise reagierte Tora mit tödlichem Ernst auf seine
verrückte Behauptung. »Was habt ihr?«, fragte sie.
    Â»Ein Diagramm, einen Haufen von Daten, die Kurven ergeben, die
allesamt auf einen Punkt in der Zukunft hinauslaufen. Eine Reihe von Ziffern,
so etwas wie einen Code. Und ein dummes Gefühl.«
    Â»Melde dich bei mir, wenn du mehr weißt«, sagte Tora. »Ich werde
sehen, ob ich etwas für deine Freundin tun kann. Aber erhoffe dir nicht zu
viel. Der Weiße Rat sieht Einmischungen in seine inneren Angelegenheiten nicht
gerne.«
    Das Gespräch mit Quass von Deyen verlief ähnlich unbefriedigend.
Der Drache war ungewöhnlich wortkarg und schlecht gelaunt. »So?«, sagte er nur,
als Raoul ihm von Karlas Verhaftung erzählte. »Dumme Sache. Was habe ich damit
zu tun?«
    Â»Quass, du bist ein Drache«, erwiderte Raoul geduldig. »Du kennst
alle maßgeblichen Leute in der Stadt. Du kannst Druck ausüben.«
    Â»Warum sollte ich das tun?«
    Â»Weil wir auch nach deinen beschissenen Büchern suchen?«,
explodierte Raoul.

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