Last Exit
hatte er bestimmt endlos über CIA-Verschwörungen, China und Attentate im Sudan geredet. Und über Touristen. Wegen ihrer besessenen Suche nach Gray hatte sie ihre Stelle bei der Zeitung verloren und
musste nun am Abend als Striptänzerin arbeiten. Wenigstens war das sicherer als internationale Intrigen. Oder war es gewesen. Bis der neue Milo Weaver in ihren Zufluchtsort gestürmt war.
Ihre Tränen waren versiegt, und sie hatte die Wimperntusche korrigiert, ohne dass er es mitbekommen hatte. Sie schaute auf eine Wanduhr. »Die Zeit ist vorbei.«
»Ich kaufe noch mal vierzehn Minuten.«
»Keine Chance. Ich weiß nicht mal, wer Sie sind.«
»Kann ich Sie irgendwie umstimmen?«
»Nein.« Ohne jedes Getue hakte sie den BH auf und schlüpfte heraus. Sie stellte sich über ihn, damit er ihre Brüste von unten sah. Mit einer knappen Bewegung zog sie den Tanga aus und streifte ihn behutsam über die Absätze, dann stand sie gerade da, die Hände auf den Hüften, und zeigte die geometrische Perfektion ihres gestylten Schamhaars. Möglicherweise, so überlegte er später, war das die Pose, in der sie im Umgang mit einem Mann die größte Macht empfand. Und es funktionierte, denn eine bebende Schwäche durchzuckte ihn.
»Schließlich haben Sie dafür bezahlt.« Sie sammelte ihre abgeworfenen Textilien auf und schritt nackt durch den Vorhang hinaus.
22
Ganz vorn an der Bühne beobachtete Parkhall mit wildem Grinsen zwei Blondinen, die umeinander kreisten wie Ringer und sich abwechselnd mit Babyöl bearbeiteten. Als Milo dazutrat, schwärmte er: »Fantastisch, was?«
»Welche?«
»Zsuzsa natürlich. Mein Gott, dass ein Loser wie Henry Gray sie rumgekriegt hat … ein unlösbares Rätsel.«
»Ich muss los«, sagte Milo, aber er ging nicht. Parkhall überredete ihn zum Kauf einer lächerlich überteuerten Flasche Törley-Sekt. Sie teilten sie mit einer jungen Frau namens Agí, die, wie sich herausstellte, ein tiefreichendes Wissen über die europäische Wirtschaft besaß. Parkhall schaltete auf Interviewmodus, als wäre sie die Finanzministerin, und Milo hegte den stillen Verdacht, dass Agí demnächst in einem seiner Times -Artikel als »Parlamentsmitglied, das anonym bleiben will«, auftauchen würde.
Da der Sekt ziemlich dünn war, bestellte Milo einen Gimlet. Eine laute Horde von englischen Rowdys ging ihm auf die Nerven, und der Anblick von so viel nackter Haut rief das vage, aber hartnäckige Bild von mit Fingerabdrücken bedeckten Schnapsgläsern in ihm wach.
Der von Amerikanern betriebene 4Play Club, so erfuhr er von Parkhall, wandte sich an Nichtungarn, aus dem einfachen Grund, weil Ungarn nicht so viel für das Gebotene bezahlen würden. Es gab noch andere Clubs in der
Stadt, aber die meisten waren dunkle und potenziell gefährliche Lokale der russischen Mafia, wo man eine unverschämte Rechnung erhielt und dann von Kraftpaketen bis zur Kasse begleitet wurde. Die meisten Gäste waren junge Engländer, die dank der europäischen Billigflüge ihr Wochenende in der Stadt verbrachten. Da es oft billiger war, nach Osteuropa zu fliegen und sich dort zu besaufen, als durch die Londoner Pubs zu ziehen, wurden manche Städte von diesen jungen Burschen überflutet, die mit Bier abgefüllt waren und jede Gelegenheit zu einer Schlägerei nutzten. In Prag hatten sie so viel Unheil angerichtet, dass eigene Gesetze eingeführt worden waren, um sie auszusperren. Und jetzt hatten diese Hooligans Budapest entdeckt.
James Einner. Natürlich hatten sie James geschickt, um Henry Gray zu beseitigen. Er war außer Milo der einzige lebende Tourist, der etwas über die sudanesische Operation wusste.
James hatte nur Befehle ausgeführt, so wie Milo, als er das Paket an Theodor Wertmüller sandte, das Adriana Stanescu das Leben kostete. Als James im Dezember wiederkam, um den Auftrag zu beenden, hatte er sich an den Brief erinnert – vertrauen Sie nur Milo Weaver – und folgerichtig diesen Namen benutzt. Doch dieses Wissen war nicht dazu geeignet, Milos Zorn zu dämpfen. Trinkend verfolgte er die endlose Fleischparade und schürte seinen Hass auf alles an seinem miesen Gewerbe, auch wenn sein Abschied schon feststand.
Um halb eins erschien Zsuzsa auf der Bühne, zur hemmungslosen Freude des MC, der sie als »leuchtendes Beispiel für Ungarns Bruttosozialprodukt« feierte, bevor er Bow Wow Wows »I Want Candy« auflegte. Die englischen Jungs teilten seine Meinung offenbar.
Er sah sich die gesamte Vorstellung an und merkte erst
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