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Last Exit

Last Exit

Titel: Last Exit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olen Steinhauer
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mit einem schweren Vorhang abgetrennten Kabine, und er fühlte sich wie vor zwanzig Jahren. Sie forderte ihn auf, in dem einzigen Polstersessel Platz zu nehmen, und nach einem Moment hatte sie den Takt der Ballade aus dem Hauptsaal gefunden. Sie fing an zu tanzen.
    »Hören Sie.« Er hob die Hände. »Das ist nicht nötig. Ich will mich nur unterhalten.«
    Sie ließ sich nicht beirren. »Sind Sie schwul?«
    »Nein.«
    »Sie haben dafür bezahlt.« Sie schlüpfte aus ihrer Bluse
wie ein Schokoriegel aus seiner Verpackung. »Ich bin immer ehrlich.«
    Sie trug nur noch einen schwarzen Spitzen-BH und den Minirock, unter dem kurz darauf ein winziger schwarzer Tanga zum Vorschein kam. Ihm fiel nur eine Möglichkeit ein, sie zum Aufhören zu bewegen, und im Gegensatz zu damals hatte er jetzt den Mut, den Mund aufzumachen. »Ich habe gelogen.«
    »Was?«
    »Es stimmt nicht, dass ich Privatdetektiv bin.«
    Sie senkte die Arme, bis sie halb über dem BH lagen. Das Lächeln war verschwunden. »Wie heißen Sie noch mal? Sebastian?«
    »Nein, Milo Weaver.«
    Ihr Kopf fuhr zur Seite wie von einem Schlag. »Milo Weaver?«
    »Vor zwei Monaten war jemand hier und hat sich unter meinem Namen vorgestellt. Ich würde gern erfahren, wer das war.«
    Zsuzsa starrte ihn mit großen Augen an. Nichts deutete darauf hin, dass sie etwas davon wusste.
    »Bestimmt sind Sie jetzt verwirrt«, fuhr er fort. »Ich wäre es auch. Und recht viel mehr als mein Wort kann ich Ihnen nicht geben. Dieser Typ, der meinen Namen benutzt hat – er hat nach Ihrem Freund Henry gesucht. Ich glaube, dass er auch der ist, der ihn im August umbringen wollte. Wahrscheinlich ist er wiedergekommen, um die Sache zu beenden.«
    Mit verzerrtem Gesich wich sie zurück.
    Milo erhob sich halb aus dem Sessel. »Wollen Sie sich setzen?« Doch als sie schützend die Arme hochriss, ließ er sich wieder nach unten sinken.
    »James Einner?«

    Er blinzelte mehrmals. »Was?«
    »Der Mann, der Henry ermorden wollte. Vor dem Angriff auf ihn hat er sich als James Einner vorgestellt. Wer ist das?«
    »Das weiß ich nicht«, log Milo.
    »Aber Sie wissen, für wen er arbeitet.«
    »Ich habe einen Verdacht.«
    »CIA?«
    »Sehr wahrscheinlich.«
    »Wie Sie. Früher. Sie haben für die CIA gearbeitet.«
    »Das stimmt.«
    Sie atmete so laut durch die Nase, dass er es trotz der Musik hörte. »Es geht um diesen Brief, oder?«
    »Ich glaube schon. Aber ich habe keine Ahnung, was in dem Brief stand. Ich weiß nicht mal, wer ihn geschickt hat.«
    »Thomas Grainger.«
    Milo starrte sie an. » Grainger hat Henry einen Brief geschickt? «
    »Sie kennen ihn also.«
    In Milos Kopf ratterten wieder mal die Rädchen. Als Gray den Brief bekommen hatte, war er selbst schon im Gefängnis, und Grainger war seit mehreren Wochen tot. »Ein Freund. Er ist tot.«
    »Ich weiß.«
    »Das wissen Sie?«
    »In dem Brief stand, wenn Henry ihn bekommt, dann bedeutet das, dass er tot ist.«
    Milo schaute sie nicht an, sondern fixierte seine Knie, während er die bekannten Tatsachen zusammenfügte, von denen es immer noch zu wenige gab.
    Dann schoben sich ihre Plateauschuhe in sein Blickfeld. »Ist Henry tot? Hat ihn dieser Typ umgebracht?«

    Milo bemerkte, dass Zsuzsas Wimperntusche aus dem Augenwinkel sickerte. »Ich weiß es nicht. Sie haben nichts von ihm gehört?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Wo ist er hin? Wie kann er einfach verschwinden? Dazu braucht er doch Hilfe.«
    »Er hat mir nichts gesagt. Wollte mich schützen. Ich weiß bloß, dass er eine Weile weggeht und dass ich nur Fragen von Milo Weaver beantworten soll.«
    »Von mir?«
    »Oder von diesem anderen Typen. Ich weiß nicht mehr, was ich glauben soll.«
    »Warum ich? Das versteh ich nicht.«
    »Der Brief. « Sie klang, als hielte sie ihn für begriffsstutzig. »Thomas Grainger hat in seinem Brief geschrieben, dass Henry nur Milo Weaver vertrauen soll, weil Milo schon an der Sache dran ist.«
    »Welche Sache?«
    »Die Geschichte, die er Henry erzählt hat. Über die CIA, den Sudan und die Touristen.«
    Milo schluckte. »Darum ging’s in dem Brief?«
    »Henry hat gemeint, wir werden wie Woodward und Bernstein zusammenarbeiten. Oder vielleicht hab ich das gesagt. Wir wollten die Story jedenfalls gemeinsam schreiben.«
    Milo sann darüber nach, wie viel sie im letzten halben Jahr durchgemacht hatte. Ihr Freund wurde vom Balkon geworfen, fiel ins Koma und kam wieder zu sich, nur um kurz darauf unterzutauchen. In den wenigen Tagen vor seinem Verschwinden

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