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Last Exit

Last Exit

Titel: Last Exit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olen Steinhauer
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besonders interessiert. Sie waren so erschöpft, dass sie nichts mehr fühlten. Er zahlte Cowalls Anteil an der Rechnung, sozusagen auf Company-Spesen, dann nahmen er und Parkhall eine Straßenbahn zum 4Play.
    »Hallo, hallo, hallo«, begrüßte Parkhall den massigen, kahlen Türsteher.
    Milo war in seinem Leben schon in überraschend vielen Stripclubs gewesen war. Sie waren ideal für Geldwäsche und warfen einen konstanten Profit ab, denn überall auf der Welt sind Männer bereit, für einen flüchtigen Blick auf nackte Frauenhaut zu bezahlen. Sein erster Besuch in einem Moskauer Club war Jewgenis Geschenk zum achtzehnten Geburtstag gewesen – und jedes Mal musste er seither an diesen Juniabend 1988 zurückdenken, an dem er wenig Erregung, aber dafür umso mehr Scham und kindische Liebe empfunden hatte.
    Wie viele der Läden und Urlaubsdatschas, in die ihn sein Vater mitnahm, war es ein Etablissement, das ausschließlich dem KGB vorbehalten war. Natürlich arbeiteten dort die attraktivsten Tänzerinnen, und Jewgeni war bestürzt über Milos Gesicht. »Was hast du denn? Komm schon, das ist dein Tag.« Aber weder die aufmunternden Worte seines Vaters noch der unaufhörliche Strom von Mixgetränken konnten ihn aus seinem Elend befreien, während er diese wunderschönen Frauen aus der gesamten Sowjetunion betrachtete, die bestimmt in irgendwelche Schwierigkeiten geraten waren und in ihrer Not keinen anderen Ausweg sahen, als sich vor lüsternen Geheimpolizisten auszuziehen. Jede Lust wurde verdrängt von Sympathie und Mitleid.
    Er konzentrierte sich auf eine missmutige Braunhaarige,
eine Sibirerin, wie ihm sein Vater erzählte, und spürte den absurden Wunsch, sie von hier fortzubringen und zu retten. Jewgeni deutete sein Interesse falsch und winkte sie heran. Dann bestellte er einen Privattanz in einem Hinterzimmer und versprach ihr ein Trinkgeld, wenn sie Milo zum Mann machte.
    Woher wusste Jewgeni, dass sein achtzehnjähriger Sohn noch Jungfrau war? Vielleicht weil er für den KGB arbeitete, wo man über alles informiert war. Oder ihm war aus Erfahrung klar, dass besonders verschlossene, bockige Teenager meist nicht vertraut waren mit dieser einen Sache, die das Leben so interessant macht.
    Noch immer roch er den beißenden Rauch und das Gleitmittel in dem samtverhangenen Raum, wo sie ihm alles zeigte und ihm dann die Hose aufknöpfte. Er wusste, was er zu tun hatte: Er musste sie zum Aufhören auffordern, mit ihr über ihre Familie reden, darüber, wie sie in diese schreckliche Lage geraten war, und ihr helfen, einen Ausweg zu finden – aber er konnte sich nicht bewegen. Später, als sie sich bei Jewgeni ihr Trinkgeld abholte, hörte er, wie sie in ihrem harten Akzent aus Nowosibirsk bemerkte: »Süßer Junge, den Sie da haben.« Milo spürte, wie sein Herzschlag aussetzte.
    Zsuzsa Papp rief allerdings keine missionarischen Gefühle in ihm wach. Als sie herüberkam, um Parkhall ein Küsschen auf die Wange zu drücken, wirkte ihr Gang, als hätte sie ihr ganzes Leben nur die vornehmsten Privatschulen besucht. Selbstbewusstsein, Anspruchsdenken und mit dem Kuss ein Hauch von Fürsorglichkeit für die niederen Ränge. Irgendwie füllte sie ihr Tanzkostüm aus – schwarzer Minirock, rote Seidenbluse und Plateauschuhe – , ohne wie eine Hure zu wirken.
    »Bisschen entspannen, Terry?«

    »Natürlich. Und ich hab jemand mitgebracht, der dich kennenlernen will. Sebastian Hall.«
    Ihr herablassender Blick streifte Milo. Ihre hohen Wangenknochen zeigten eine leichte Röte. »Ein Fan?«
    »Sicher bin ich bald einer.« Milo schüttelte ihr die schlaffe Hand. »Ich bin Privatermittler und suche nach Ihrem Bekannten Henry Gray.«
    Die Wangenröte wurde weder tiefer noch blasser. »Jemand hat Sie engagiert?« Ihr Ton gab zu erkennen, dass sie das für unwahrscheinlich hielt.
    »Eine Tante«, erläuterte Parkhall. »Wie heißt sie gleich wieder?«
    »Sybil Erikson. Aus Vermont.«
    Mit einem Lächeln auf dem Gesicht sagte sie: »Einen Moment«, und führte Parkhall mehrere Schritte beiseite. Während sie redeten, wurde Parkhall sichtlich nervös und entschuldigte sich für Milos Anwesenheit. Dann kam Zsuzsa mit dem gleichen Lächeln zurück. »Wie wär’s mit einer Privatvorführung? Wenn wir hier draußen bleiben, sieht es aus, als würde ich Sie anmachen.«
    Wie sich herausstellte, kosteten vierzehn Minuten Privattanz fünfzig Euro oder vierzehntausend Forint. Sie führte ihn an der Hand um Tische und Hauptbühne zu einer

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