Last Exit
demokratischer.«
»Natürlich.«
Gray läutete an der Eingangstür und benutzte schließlich einen anderen Schlüssel. Niemand erwartete sie, und der erste Raum war völlig leer: Parkettboden, kahle Wände. Schockiert blieb Gray stehen, dann stürzte er in die anderen Zimmer. »Verdammte Scheiße! Sie haben meinen Computer mitgenommen!«
Unwillkürlich brach Milo in Lachen aus. Xin Zhu war es nur um die Botschaft gegangen, die Milo jetzt erhielt: Wir wissen, wer ihr seid und was ihr getan habt. Wir können euch jederzeit angreifen.
Er klaubte das zerlegte Handy aus der Tasche und baute es zusammen, während er langsam durch die leeren Zimmer
schlenderte. Gray kam aus dem Bad und wischte sich Erbrochenes von den Lippen. Er wollte etwas zu Milo sagen, überlegte es sich aber anders.
Milos Telefon klingelte.
»Stattlich und feist.«
»Erschien Buck Mulligan«, antwortete Milo.
»Sie sitzen in der Scheiße«, warnte ihn Drummond. »Irwin ist auf dem Kriegspfad gegen Sie.«
»Kann ich mir vorstellen.«
»Kommen Sie sofort nach Hause.«
»Dazu brauche ich meine Kreditkarten.«
»In einer Stunde funktionieren sie wieder, okay?«
»Noch eins«, setzte Milo hinzu. »Sie können die Abteilung wieder auftauen. Es gibt keinen Maulwurf.«
»Was?«
Obwohl er nach Milos Kurzfassung noch immer zweifelte, meinte Drummond: »Was für ein Scheißer lässt sich so was einfallen?«
»Reden Sie nicht so über einen Mann, den ich bewundere. « Milo schaltete aus.
26
Als er am JFK landete, war es schon Dienstagmorgen. Mit einem Mietwagen fuhr er ins Zentrum. Weil er wusste, dass das Gelände an der 101 West Thirty-first Street von Mitarbeiterautos besetzt war, parkte er auf einem öffentlichen Platz an der West Twenty-ninth Street und lief zu Fuß zur Avenue of the Americas und dann weiter bis zur Ecke Thirty-first. Kameras auf den Straßen rund um die Zentrale der Abteilung Tourismus verfolgten jeden seiner Schritte, und als er den Eingang zu dem unscheinbaren Ziegelturm erreichte, warteten bereits zwei Türsteher auf ihn.
Früher hätte er diese Hünen gekannt, die als erste Barriere gegen Eindringlinge fungierten, und sie mit Namen begrüßt, doch diese zwei waren erst nach seiner Entlassung eingestellt worden. Aber sie waren genauso stumm und humorlos wie ihre Vorgänger. Ein bekanntes Gesicht gab es allerdings: Gloria Martinez am Empfang. Sie war hübsch und streng, was Milo nie von flirtenden Anträgen abgehalten hatte, mit denen er regelmäßig bei ihr abblitzte.
Bei ihrer letzten Begegnung war Milo in dieser kalten Eingangshalle von drei Türstehern zu Boden geworfen worden. Ihr Gesichtsausdruck ließ erahnen, dass sie ihn für tot gehalten hatte, und sie zeigte das Maximum an Emotion, das in ihrer Position möglich war: »Schön, Sie wiederzusehen, Sir.«
»Ms. Martinez, Sie sind wie immer eine Augenweide.«
Als er stehen blieb, um sich vom Computer fotografieren zu lassen und den Namen Sebastian Hall ins Mikrofon zu sprechen, zuckte sie nicht einmal mit der Wimper, obwohl sie ihn nur als Milo kannte.
Im Aufzug filzten ihn die Türsteher und benutzten einen Schlüssel, um Zugang zum zweiundzwanzigsten Stock zu erhalten. Die Fahrt verlief völlig schweigsam, und Milo betrachtete in den Spiegelwänden ihre versteinerten Gesichter.
Als sich die Türen öffneten, hielt er unwillkürlich den Atem an. Hier war er sechs Jahre lang an jedem Werktag erschienen. Eine stille Etage voller Computer und emsiger Reiseberater, die die nachrichtendienstlichen Informationen von Touristen aus aller Welt auswerteten. Doch jetzt war das Auffälligste an der Abteilung Tourismus die gähnende Leere. Das Labyrinth von Arbeitswaben war noch da, aber unbesetzt. Nur in wenigen knieten in einer Art Gebetsparodie Techniker, um an Computerkabeln zu ziehen und Festplatten zu kennzeichnen, aber sie erinnerten an Straßenkehrer, die nach einer Parade aufräumten, und hoben nicht einmal den Kopf, um die Besucher zu begrüßen, die auf die Büros an der hinteren Wand zusteuerten.
Links und rechts blickten Fenster auf Wolkenkratzer unter einem schiefergrauen Himmel, und vor ihnen lag mit offenen Jalousien das Büro, in dem Grainger zu seiner Zeit als Abteilungsleiter residiert hatte. Danach war es erst von Owen Mendel und dann von dem erstaunlich jungen Alan Drummond übernommen worden. Nun saß hinter dem großen Schreibtisch ein Mann mit Lesebrille, der trotz seiner erst fünfundfünfzig Jahre schon völlig weißhaarig war. Ein vertrautes
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