Last Exit
Gesicht.
»Sie haben gar nicht erwartet, dass ich sie umbringe, stimmt’s?«
Drummond brauchte eine Weile, bis er antwortete. »Nein, ich wollte nicht, dass sie stirbt, aber wir mussten sie loswerden. Deswegen habe ich Sie ausgesucht, den einzigen Touristen mit einem Kind. Mir war klar, dass Sie binnen einer Woche eine andere Lösung finden werden.«
»Sie hätten es mir sagen können.«
»Vielleicht. Aber ich wollte, dass Sie es vor mir geheim halten. Wenn ich nichts merke, dann kommt auch niemand anders dahinter.«
Milo war sprachlos.
»Und Sie haben es ja fast geschafft. Was ist da eigentlich schiefgelaufen?«
»Ich habe meine Freunde überschätzt. Dann haben Sie sie doch noch umbringen lassen.«
»Sie waren Adrianas letzte Chance.«
Schweigen entstand, und Milo drückte erneut auf den Aufzugknopf. Er wusste nicht, ob er das alles glauben sollte oder lieber nicht.
»Sie wollen doch nicht wirklich das Handtuch werfen, oder?«
»Noch heute Abend kriegen Sie meine schriftliche Kündigung. «
»Mann, Weaver. Ich brauche Sie hier.«
Der Fahrstuhl öffnete sich, und Milo trat hinein. Der flehende Ton in Drummonds Stimme machte ihm Sorgen, aber er hatte den Abschied im Kopf schon so oft durchgespielt, dass es wie eine längst beschlossene Sache war. Er konnte viele Argumente ins Feld führen, aber nur eins davon zählte: »Wir haben das Mädchen in die Falle gelockt, und dann haben wir sie umgebracht.«
»Und deswegen sind wir jetzt jederzeit in der BND-Zentrale willkommen. Die haben einen teuren Konferenzsaal – Raum S – bauen lassen, nur um mit uns zu sprechen. Und nach einem Jahr wird er endlich benutzt. Das ist keine Kleinigkeit.«
»Aber immer noch zu klein.«
Milo bemerkte die wachsende Verzweiflung in Drummonds Gesicht, als die Türen zuglitten. Weiter hinten stand einer der Helfer des Senators – Jim Pearson – an der Jalousie und beobachtete sie.
Draußen auf der Straße, nachdem er den Türstehern zugenickt und Gloria zugezwinkert hatte, spürte er etwas wie Freiheit. Keine echte Freiheit, denn er wusste, dass er noch die zermürbenden Abschlussbefragungen durchstehen musste, aber auf jeden Fall war ihm leichter zumute.
Es war die Erlösung von einer Verpflichtung, ein seltenes, wunderbares Gefühl.
Am liebsten hätte er Tina angerufen, und er zögerte sogar kurz vor einem Münztelefon, doch dann überlegte er es sich anders. Es war besser, später zu ihr zu fahren, wenn er wusste, dass er bleiben konnte. Er steckte sich ein Nicorette in den Mund.
Das Stout war fast leer, teils weil die After-Work-Feiernden weiter nach Norden gezogen waren, teils weil die restliche Kundschaft noch in der Arbeit war. Er ließ sich an der extrem langen Holzbar nieder und bestellte einen Wodka Martini. Er war köstlich, und er musste an all die Wodka Martinis denken, die er in den letzten drei Monaten getrunken hatte, in Moskau, Paris, Podgorica, London, Zürich, Budapest, Berlin, Rom …
Der Name des Drinks erinnerte die meisten Leute an Italien, aber einen wirklich ausgezeichneten – groß, eiskalt und sehr stark – hatte er bisher nur in Manhattan bekommen. Und obwohl die Version im Stout nicht annähernd so gut war wie zum Beispiel die in der Underbar des W Hotel am Union Square, war er allem, was einem unter diesem Namen in einem Florentiner Café serviert wurde, um Meilen voraus. Entsprechend überschwänglich fiel sein Dank an die blonde Barfrau aus, die eine leichte Hasenscharte hatte.
Die anderen Gäste – insgesamt fünf – saßen verstreut an den Tischen hinter ihm. Eine Frau mit einem Mann, zwei Männer und ein Mann allein. In dem männlichen Paar glaubte er Irwins Fraktion zu erkennen, und seine Vermutung erwies sich als richtig, als einer von ihnen mit dem Handy telefonierte und wenige Sekunden später der Senator ohne Begleitung eintrat. Ohne sich umzuschauen, steuerte er auf die Bar zu, setzte sich neben Milo und
schnippte mit den Fingern nach der Barfrau. Sie verbarg ihren Ärger auf bewundernswerte Weise und servierte lächelnd einen Scotch on the rocks, ehe sie sich ans andere Ende der Theke zurückzog.
»Also, Weaver.« Irwin nahm einen knappen Schluck. Sein Ton erinnerte Milo an einen Schuldirektor, der sich wieder einmal mit einem notorischen Störenfried herumschlagen muss. »Ich darf annehmen, dass Sie mich kennen? «
»Ich glaube nicht, dass wir uns schon mal begegnet sind.«
»Dass Sie von mir wissen, so hätte ich sagen müssen.«
»Vermutlich hat jeder politisch
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