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Last Exit

Last Exit

Titel: Last Exit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olen Steinhauer
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oder?«
    »Er ist mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Ich hab ihn beobachtet. Er ist völlig sauber.«
    »Aber ich hab ihn nicht nur beobachtet. Mihai Stanescu hat die Finger in Einwanderungsangelegenheiten. Er arbeitet für Immigranten aus dem Osten und besorgt ihnen Arbeit. Auch die Familie des Mädchens ist auf diese Weise hergekommen. Manchmal schmuggelt er die Menschen sogar ein. Er hat Verbindungen zur russischen Mafia in Transnistrien – im Grunde also Verbindungen zur dortigen Regierung. Ich schätze, dass er über diese Einwanderer auch Heroin nach Deutschland transportiert.«
    Milo ließ sich nicht so leicht überzeugen. »Und? Warum soll dann seine Nichte umgebracht werden?«
    »Vielleicht wurde er gewarnt. Vielleicht steckt das Mädchen mit drin.«
    »Auf keinen Fall.«
    »Sagst du.«
    »Ich habe recht, Jewgeni.«

    Sein Vater antwortete nicht sofort, weil plötzlich hinter ihm drei Augsburger auftauchten. Ehrfürchtig flüsternd deuteten sie hoch zu dem Gemälde, und einer schwenkte seine Kamera. Als sie weitergezogen waren, fuhr er fort: »Du weißt genauso gut wie ich, dass man viel länger als eine Woche braucht, um rauszufinden, warum deine Leute dieses Mädchen liquidieren wollen. Wenn New York dich nicht einweiht, heißt das noch lange nicht, dass es keinen Grund gibt.«
    Milo verzichtete auf eine Erwiderung, weil alle Argumente erschöpft waren. Seine Entscheidung stand unverrückbar fest.
    Primakow drehte sich zu seinem Sohn um, nicht ohne zuerst einen Blick auf das Gedränge der Touristen in der Kathedrale zu werfen. Schließlich fixierte er ihn stirnrunzelnd. »Du siehst wirklich furchtbar aus, Mischa. Und du stinkst.«
    »Berufsrisiko.«
    Primakow wandte sich wieder dem Kuppelmosaik zu. »Wahrscheinlich hast du recht, jedenfalls aus meiner Sicht. Das Mädchen ist in nichts verwickelt, und niemand hat was von ihrem Tod. Außer natürlich dein unmittelbarer Vorgesetzter. Wie heißt er?« Selbst jetzt versuchte er, so viel wie möglich herauszuschlagen.
    »Alan Drummond.«
    »Ein Neuer also? Ich dachte, die Leitung hat jetzt Mendel.«
    »Drummond sagt, dass er ihn abgelöst hat.«
    »Und wer ist dieser Drummond?«
    »Eine Stimme am Telefon.«
    Ohne ihn anzuschauen, hakte Primakow nach. »Und du hast die Stimme am Telefon, die dich auffordert, ein junges Mädchen zu beseitigen, nicht überprüft?«

    Milo starrte auf den Hinterkopf seines Vaters. »Yale. Marines, zwei Jahre Afghanistan. 2005 Wechsel zur Company. Einsatzbereich Rüstungskontrolle. Im nächsten Jahr auf eigenen Wunsch in die Abteilung Kongressangelegenheiten versetzt. Ich weiß nicht, wie er von dort zum Tourismus gekommen ist. Wahrscheinlich Beziehungen.«
    »Wer sind seine Beziehungen?«
    »Keine Ahnung, aber es muss jemand mit einigem Einfluss sein.«
    Primakow scharrte über seine Wange. »Ja, das passt zusammen. Mendel hat dich Stück für Stück auf die Probe gestellt. Einfache Aufträge. Dann übernimmt dieser Drummond das Kommando, und er möchte seinen Gönnern in der Regierung beweisen, was er für ein Ass ist, will den Tourismus auf Vordermann bringen. Also schaut er sich deine Akte an, und da fällt ihm deine Tochter auf. Im Idealfall hätte er eine Sechsjährige finden müssen, um die du dich kümmern sollst, aber so ein Job wäre schon viel verlangt, selbst von einem Touristen. Deswegen verdoppelt er das Alter und pickt wahllos jemanden heraus.«
    »Dann bleib ich dabei. Es ist vorbei. Ich bringe nicht irgendein Mädchen um, bloß damit ich in New York gut dastehe.«
    »Lass es dir lieber nochmal durch den Kopf gehen.«
    »Das mache ich seit fast einer Woche, Jewgeni.« Er hielt inne. »Mutter erlaubt es nicht.«
    Der Alte bearbeitete wieder seine Backe. »Hörst du wieder ihre Stimme?«
    »Manchmal.«
    Die Tatsache, dass sein Sohn den Empfehlungen einer Toten lauschte, schien Jewgeni Primakow nicht weiter zu stören. »Du musst sie ja nicht umbringen. Du hast gesagt,
sie wollen keine Spuren, keine Leiche. Es reicht, wenn sie verschwindet.«
    »Soll ich sie irgendwo in einem Kellerloch gefangen halten? Danke für den Rat.«
    Er wandte sich zum Gehen, aber Primakow fasste ihn am Arm, und sie schlenderten zusammen durch den südlichen Gang. »Du bist kaputt. Wieder diese Pillen?«
    »Nicht viele.«
    »Du musst gesund bleiben, Mischa. Ich will nicht, dass du dich vorzeitig ins Grab legst. Und Tina auch nicht. Hast du in letzter Zeit mit ihr geredet?«
    Sofort schossen ihm die Erinnerungen durch den Kopf. Das letzte

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