Last Exit
Menschen war bekannt, dass er in Berlin war: Jewgeni und seinem neuen Vorgesetzten Alan Drummond. Von beiden hatte nur Drummond gewusst, wo er Anfang der Woche sein würde.
Alan Drummond vertraute ihm noch nicht und hatte daher, statt einen anderen Touristen auf ihn anzusetzen oder das Personal einer Botschaft neugierig zu machen, die Deutschen um eine unauffällige Überwachung gebeten. Nein, kein Terrorist, bloß ein potenzielles Problem. Es geht nur um einen Bericht über seine Bewegungen.
Das war natürlich eine weitere Probe. Wenn die Deutschen beobachteten, dass er eine Schülerin belästigte – oder schlimmer noch, sie sogar tötete –, würden sie nicht tatenlos zuschauen. Damit erhöhte Drummond als echter Manipulator den Einsatz bei dieser letzten Prüfung. Ob Milo die Kaltschnäuzigkeit für den Auftrag besaß, war eine Frage; aber Drummond wollte zudem wissen, ob er auch das Zeug dazu hatte.
Trotz einer Anwandlung von Panik, die kurz das chinesische Essen in seinem Magen aufwühlte, hatte sich im Grunde nichts geändert. Wenn alles planmäßig lief, waren seine Aufpasser nicht mehr als eine kleine Irritation, und Alan Drummond konnte ihn mal.
Wie sich herausstellte, war Adriana Stanescu nicht dumm. Sie schämte sich zwar wegen der Berufe ihrer Eltern, aber wie die meisten Kinder wusste sie, welche elterlichen Gebote sinnvoll waren. Nicht mit Fremden zu reden – das hatte Adriana verinnerlicht. Als Milo sie mit »Entschuldigung« anredete, zögerte sie nur kurz und ging dann weiter. Er versuchte es erneut. »Hallo, Adriana, dein Vater schickt mich. Ich soll dich abholen. Er steckt drüben in Charlottenburg fest.«
Als das Mädchen stoppte, pendelte ihr kleiner, mit einem Manga-Helden geschmückter Rucksack gegen ihren schmalen Rücken. Sie wandte sich zu ihm um. »Wer sind Sie?«
Sie hatte ein glattwangiges, reizvolles Gesicht, auf eine ganz andere Weise schön als das seiner Tochter, aber das machte die Sache nicht leichter. »Günter.« Er zückte den Alligator-Taxi-Ausweis, auf den er sein eigenes Bild geklebt hatte. »Andrei hat mir nur gesagt, dass es dir lieber ist, wenn ich versteckt parke. Vielleicht ist dir das Taxi peinlich, keine Ahnung.« Er deutete mit dem Daumen über die Schulter. »Jedenfalls steh ich da hinten, wenn ich dich nach Hause fahren soll.«
Adriana überlegte, und vielleicht war es die Scham über ihre Verlegenheit, die Tatsache, dass sogar der Kollege ihres Vaters davon wusste, die den Ausschlag gab. »Okay, danke.«
Höflich ließ er ihr den Vortritt, und eine Wolke von süßem Kinderparfüm drang ihm in die Nase. Die japanische Comicfigur wippte vor ihm her, als sie in den Hof und aus dem Blickfeld der zwei Deutschen traten. Leise streifte er sich die Lederhandschuhe über. Kaffee und Mittagessen hatten zwar seinen Kater vertrieben, aber ihm war noch immer flau, und diese kleine, bewegte Gestalt (was sollte
das überhaupt sein? Eine Maus? Ein Hund?) verstärkte seine Übelkeit.
Als Adriana im Hof nur drei normale parkende Autos entdeckte, blieb sie stehen und drehte sich um. »Wo ist Ihr Taxi?« Sie klang nicht besorgt, nur neugierig.
Jetzt kam das Schwierigste, das Gemeine. Er hatte mit dem Gedanken gespielt, ihr alles zu sagen, aber sie hätte ihm nicht geglaubt. Natürlich nicht. Sie hätte sich gewehrt, geschrien, wäre auf die Straße gerannt. Bestimmt erinnerte sie sich noch gut an das Schicksal von Natascha Kampusch, der nach ihrer Entführung im Alter von zehn Jahren erst nach achtjähriger Gefangenschaft die Flucht gelungen war.
Die einzige Lösung war Gewaltanwendung. Auf ihre Frage hin hob er lächelnd den Arm und deutete nach hinten. Als sie sich umdrehte, näherte er sich blitzschnell, drückte ihr die Hand auf Mund und Nase und griff mit der Linken um ihren Bauch, um sie am rechten Ellbogen zu packen. Als er sie hochhob, strampelte sie mit den Beinen, und gedämpftes Kreischen drang durch die behandschuhten Finger. Aber sie war so leicht, dass er sie mühelos zum BMW tragen konnte, während er zehn Zentimeter unter ihrem Ellbogen nach dem Druckpunkt namens Colon 10 tastete. Beim Kofferraum presste er weiter ihren Bauch und den Nerv am Arm zusammen und schnitt ihr die Luft ab. An jedem dieser Punkte hätte er so heftig zupacken können, dass sie das Bewusstsein verlor, aber er wollte ihr nicht wehtun. Also bearbeitete er alle drei gleichzeitig, bis ihr Strampeln schwächer wurde und sie in Ohnmacht fiel.
Vorsichtig drehte er sie um und lauschte auf
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